Duell: Island Krimi (German Edition)
Partei, genau wie du, und ich dachte, es wäre der einfachste Weg. Und natürlich wollte ich dich auch wiedersehen.«
»Was für ein schrecklicher Mord da im Hafnarbíó. Hast du damit zu tun?«
»Die gesamte Kriminalpolizei arbeitet daran.«
»Fragst du vielleicht deswegen nach Viðar? Hat es mit diesem Fall zu tun?«
»Du bist zu neugierig, Dagný, das warst du schon immer.«
»Ja, wahrscheinlich.«
Dagný schwieg eine Weile und überlegte.
»Wirst du unseren Vater besuchen, bevor er stirbt?«, fragte sie plötzlich.
»Er hat mich zweimal angerufen und mich darum gebeten, aber ich bin nicht darauf eingegangen«, antwortete Marian. »Ich wünschte, er würde damit aufhören, bei mir anzurufen, es wäre besser für alle Beteiligten. Ich kenne ihn überhaupt nicht, und wir haben uns nichts zu sagen. Es ist zu spät, das zu ändern. Wie geht es ihm?«
»Er hat nicht mehr lange zu leben«, sagte Dagný. »Er bereut es, wie er dich behandelt hat, aber daran waren vor allem meine Mutter und meine Großmutter schuld. Sie bestanden darauf, dass niemand von dem unehelichen Kind erfahren sollte.«
»Die alte Dame hat aber trotzdem viel für mich getan. Sie hat mich nach Dänemark geschickt. Im Alter wurde sie sehr viel milder in ihren Ansichten.«
»Sie war letzten Endes gar nicht so übel. Papa sehnt sich aber schon seit Jahren danach, dich zu sehen. Er weiß, dass wir beide Kontakt zueinander haben. Er war sehr froh, als ich ihm das gesagt habe.«
»Das liegt aber nur daran, dass du nach mir gesucht hast.«
»Der alte Athanasius hat es mir nahegelegt. Er hat mir erzählt, wie sehr du unter dieser Situation gelitten hast.«
»Im Grunde genommen war er der Einzige, der mir etwas bedeutet hat«, sagte Marian.
»Das ist nicht wahr, und das weißt du auch«, entgegnete Dagný. »Du bist immer noch bitter und verletzt. Sonst würdest du doch deinen Vater kennenlernen wollen.«
Marian wusste von Dagný und ihrer Schwester, weil Athanasius in all den Jahren regelmäßig über die beiden berichtet hatte, direkten Kontakt zwischen den Halbgeschwistern hatte es nie gegeben. Nach dem Krieg arbeitete Marian einige Jahre in der Stadtbibliothek, und dort tauchte eines Tages Dagný auf und stellte sich vor. Sie richtete Grüße von Athanasius aus und fragte, ob es irgendwo in der Bibliothek eine ruhige Ecke gäbe, wo man miteinander reden könnte. Marian ging mit ihr in die Kaffeestube für die Angestellten. Es stellte sich heraus, dass Dagný erst vor Kurzem davon erfahren hatte, dass ihr Vater ein Kind mit einem der Dienstmädchen aus ihrem Elternhaus hatte und dass dieses Kind an Tuberkulose erkrankt war. Das waren damals Tabuthemen gewesen. Und bei Dagný zuhause war die Tuberkulose die Ausrede dafür gewesen, Dagný und ihrer Schwester den Umgang mit Marian zu verbieten. Marian selbst glaubte jedoch, dass es von Anfang an nur darum gegangen war, die ganze Angelegenheit zu verheimlichen. Über all das sprach Dagný ganz offen, und was sie sagte, kam Marian aus früheren Gesprächen mit Athanasius sehr bekannt vor. Dagný erzählte, dass sie von zu Hause ausgezogen war, weil sie es ihren Eltern übelgenommen hatte, dass sie all das vertuscht hatten, und dass sie sich danach sehnte, Marian näher kennenzulernen.
»Was für ein lieber Mensch, der Athanasius«, sagte Dagný und warf noch einmal einen Blick auf den Fußballplatz. Sie goss Kaffee nach. »Meiner Schwester und mir wurde immer nur gesagt, dass er dein Vater wäre.«
»Bist du irgendwann mal mit ihm zum See in Þingvellir gefahren, wenn er die Forellen für den Teich holte?«
»Nur ein einziges Mal«, sagte Dagný. »Danach hat er den Dienst quittiert, weil er einen Streit mit Papa hatte, er war sehr wütend gewesen.«
»Das hätte er vielleicht nicht tun sollen«, sagte Marian.
»Erst danach habe ich von dir erfahren und dich in der Bibliothek besucht. Mir wurde niemals etwas von dir erzählt, ich hörte immer nur die Streitereien. Irgendwann hatte auch Athanasius genug davon und erzählte mir alles. Meine Familie hätte dich schon vor Langem anerkennen sollen. Und du hättest auch deinen Anteil am Erbe bekommen müssen.«
»Meinen Anteil«, wiederholte Marian. »Ich habe mich niemals für irgendeinen Anteil interessiert.«
»Das war wahrscheinlich gut so, denn als die Firma bankrott machte, ging alles verloren.«
»Dagný, ich denke kaum noch darüber nach«, sagte Marian. »Wirklich. Das ist doch schon so lange her.«
»Aber trotzdem weigerst
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