Duell: Island Krimi (German Edition)
und zeigte ihr, dass eine der Streben unter dem Sitz gebrochen war.
»Kannst du das nicht reparieren?«, fragte Paula.
»Nein«, entgegnete Albert und kippte den Schlitten auf die Halde.
»Den könnte man drinnen im Haus aufstellen«, erklärte Paula.
»Niemand bewahrt einen alten Schlitten auf«, sagte Albert, der als Nächstes einen alten Reisekoffer entsorgte.
»Er würde doch prima ins Wohnzimmer passen, dann könnten Kinder drauf sitzen«, sagte Paula und sah ihren Vater bittend an.
»Ins Wohnzimmer?«
»Ja. Für uns Kinder.«
»Ich mach das nur dir zuliebe«, sagte er zu seiner Tochter, als er mit dem Schlitten auf dem Anhänger wieder losfuhr.
Im Rundfunk gab es eine Sendung über amerikanische Rockmusik, was ungewöhnlich war, da abends meist Sinfoniekonzerte ausgestrahlt wurden. Albert mochte Beat, Rock und Popmusik, die Beatles hatte er von Anfang an toll gefunden. Als Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band herauskam, hatte er die Platte sofort gekauft, und war überzeugt, dass diese LP zu den besten gehörte, die je erschienen waren. Er hörte auch Cream und verfolgte alles mit, was Eric Clapton machte, aber auch Jimi Hendrix und Neil Young. Er war begeistert, als Miles Davis den Jazz elektrifizierte, Bitches Brew gehörte zu seinen Lieblingsplatten. Er lernte auch selbst Gitarre spielen und gründete zusammen mit drei Freunden eine Band, die aber nicht lange überlebte.
Mit diesen Freunden fuhr er auch zum Zelten nach Þórsmörk, wo er Guðný kennenlernte. Sie zeltete dort auch gerade, zusammen mit ein paar Freundinnen, die sie bei der Sommerarbeit für Jugendliche auf den städtischen Friedhöfen kennengelernt hatte. Sie hatte ein bisschen zu viel Gin intus, den die Freundinnen gemixt hatten. Ein großes Lagerfeuer brannte, um das sich die Jugendlichen scharten. Guðný war Albert buchstäblich in die Arme gefallen.
Wenn abends in ihrer Wohnung Ruhe eingekehrt war, klimperte er manchmal auf seiner Gitarre und verfasste eigene Texte und Musik, aber er spielte nur Guðný vor. Gemeinsam hörten sie isländische Folkloresänger, aber sie besaßen auch Platten von populären Bands wie Hljómar und Trúbrot . Guðný hatte in letzter Zeit häufig den Schlager Í sól og sumaryl geträllert, den das Tanzorchester von Ingimar Eydal in diesem Sommer herausgebracht hatte. Und vor Kurzem hatte Guðný in der Studentenbuchhandlung eine Platte mit zwei Liedern von Megas für Albert gekauft. Sie fanden beide, dass Megas als Musiker und Texter unglaublich gut war.
Im Radio war eine weitere Rocknummer aufgelegt worden. Die beiden jüngeren Mädchen waren auf dem Rücksitz eingeschlafen, aber Paula beobachtete durch die Heckscheibe schweigend den Verkehr. Der Himmel war stark bewölkt, und die Luft war feucht, als sie nach Hause kamen. Guðný richtete Albert aus, dass Marian angerufen hätte. Albert rief sofort im Büro an, aber man teilte ihm mit, dass Marian gerade nach Hause gegangen sei. Albert ließ zwanzig Minuten verstreichen. Es war schon nach elf, aber Marian antwortete sofort.
»Du hast versucht, mich zu erreichen?«, fragte Albert.
»Ich habe über die Theorie mit dem dritten Mann in der Umgebung des Kinos nachgedacht«, sagte Marian. »Ich weiß nicht, ob wir die je ernsthaft in Betracht gezogen haben. Es hat aber Zeit bis morgen. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass es schon so spät war. Ich wollte nur über ein oder zwei Fragen mit dir sprechen.«
»Dass es drei Männer gewesen sein können, den Gedanken hatte ich auch schon«, sagte Albert. »Der dritte Mann muss dann wohl ein Russe gewesen sein, der Belomorkanal-Schachtel nach zu urteilen.«
»Könnte es nicht auch sein, dass es ein Isländer war?«, sagte Marian. »Auch in Island werden diese Zigaretten geraucht.«
»Wieso ein Isländer?«
»Es fiel mir nur so ein. Man darf das wohl nicht völlig ausschließen.«
»Dann muss er von diesem Treffen im Hafnarbíó gewusst haben«, sagte Albert. »Aber wie hat er davon erfahren?«
»Er hat wahrscheinlich Kontakt zu einem der beiden anderen«, erklärte Marian, ohne zu erwähnen, was sich im Zusammenhang mit Viðar Eyjólfsson herausgestellt hatte. »Oder aber er hat auf anderen Wegen von diesem Treffen erfahren.«
»Weiß er, worum es bei dem Treffen ging?«
»Denkbar.«
»Und weiß er, dass der Junge bei diesem Treffen getötet wurde? Oder besser gesagt, dass er wegen dieses Treffens getötet wurde?«
»Ganz bestimmt.«
»Und weiß er, wer die beiden anderen sind?«
»Ja, davon
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