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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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müssen. Stattdessen steckte sie im Keller in einer denkbar ungünstigen Position. Wenn er die Tür öffnete, stünde er oben auf der Treppe und sie unten, was einen weiteren Nachteil darstellte.
    Ein schmaler, heller Spalt erschien in der Zarge. Ruven hatte das Licht eingeschaltet. Schritte auf den Holzdielen über ihr. Er musste sich der Küche nähern und hatte damit die Kellertür im Rücken. Noch hatte sie die Möglichkeit, ihren Nachteil zum Vorteil zu wandeln, denn sicher hatte Ruven keinen Schimmer, was sie suchte und wo er sie verorten sollte. Außerdem musste Tjark jeden Moment auftauchen.
    Und doch wollte sie dem Scheißkerl einen Moment lang alleine in die Augen sehen, bevor die Handschellen zuschnappten. Ihr Magen stand in hellen Flammen, in der Speiseröhre brannte es wie Feuer.
    »Femke?«
    Femke zog die Waffe und bewegte sich lautlos in Richtung Treppe. Sie nahm die erste Stufe, dann die zweite und dritte. Schließlich stand sie auf dem Sims und drückte vorsichtig den Türgriff nach unten.
    Sie vernahm ein Seufzen und hörte das Geräusch eines Schlüssels, der auf die Arbeitsplatte der Küche geworfen wurde. Wie oft hatte Femke diese Geste bei Ruven gesehen? Hunderte Male. Als Nächstes folgte gewöhnlich sein Portemonnaie, dann das Handy, auf das er noch kurz einen Blick warf, um zu sehen, ob eine SMS eingegangen war … Etwa eine Sekunde später klingelte das Handy in Femkes Hosentasche in voller Lautstärke. Ihr Herz gefror zu Eis.
    »Femke? Hallo?«, rief Ruven.
    Mit einem Ruck öffnete sie die Tür, hob die Dienstwaffe und zielte auf ihren Ex-Freund. Er sah sie erstaunt an und hielt etwas Dunkles in der Hand. »Weg damit!«, schrie sie mit sich überschlagender Stimme.
    Ruven starrte sie mit offenem Mund an und legte den Gegenstand zur Seite. Augenblicklich verstummte das Klingeln in Femkes Hosentasche.
    Langsam hob er die Hände und stammelte: »Was … Was …« Sein Adamsapfel hüpfte beim Schlucken auf und ab.
    Femke sah den Messerblock neben ihm auf der Arbeitsplatte. Darin steckten sechs Klingen unterschiedlicher Größe, und alle waren scharf wie Rasiermesser – Ruven nutzte sie gelegentlich, um damit Sushi zuzubereiten.
    »Weg von der Arbeitsplatte«, sagte Femke. Ihre Stimme zitterte.
    Ruven machte keine Anstalten, sich zu bewegen. Er war wie zu einer Salzsäule erstarrt. Scheiße, es wurde verdammt dringend Zeit, dass Tjark endlich auf der Bildfläche erschien.

74
    Der BMW stand quer auf der Straße. Tjark starrte einige Sekunden lang auf das Armaturenbrett und atmete schwer. Es hatte nicht viel gefehlt, und er wäre im Straßengraben gelandet. Dann sah er wieder auf das Display des Navigationsgeräts und versuchte, sich zu orientieren. Er setzte zurück, brachte den Wagen in die Spur und gab erneut Gas.
    Noch drei Kilometer.
    Zwar mochte an Ruven und der Geschichte mit dem ertrunkenen Mädchen durchaus etwas dran sein, aber es gab noch eine andere Möglichkeit, die Tjark nicht gefiel. Wenngleich man immer wieder von Mördern hörte, die jahrelang ihre Familien täuschten und unerkannt blieben, war diese andere Möglichkeit, dass Femke wie einige andere Werlesieler anfing, Gespenster zu sehen. Immerhin hatte er selbst mehrfach mit Ruven zu tun gehabt und sich ein Bild von ihm machen können. Ja, Ruven hatte ihm sogar bereitwillig seine Einsatzlisten zur Verfügung gestellt und nicht gezögert, als Tjark ihn gebeten hatte, Ceylan bei Mommsen einzuschleusen. So kaltblütig war doch kein Mensch. Der Mann hatte außerdem nicht mit irgendjemand jahrelang zusammengelebt, sondern mit einer Polizistin, und Femke war eine Polizistin, die auf Zack war – keine, der man etwas vormachte. Oder doch, wenn sie vor Liebe blind war?
    Sie hatte sich darauf eingeschossen, dass der Junge von damals der Täter von heute sein konnte – so wie Tjark selbst auf Mommsen fixiert gewesen war. Und sie hatte Tjark mit der Idee angesteckt. Dieser Tunnelblick war ein Fehler, vor dem er sie sogar gewarnt hatte. Er wusste, dass man sich schnell in etwas hineinsteigerte, wenn man den Überblick verlor oder sich zu tief in eine Theorie vergrub. Das geschah, wenn man mit zu viel Emotion bei der Sache war.
    In jedem Fall war es schlecht, wenn jemand durchdrehte, der eine Waffe trug. Es war sogar verflucht gefährlich, und Tjark kannte Femke nicht gut genug, um einzuschätzen, ob sie in einer Krisensituation zu Überreaktionen neigte wie er selbst oder ob sie kalt wie Eis blieb.
    Tjark mahlte mit den Backenzähnen und

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