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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Vikkis Wange nun lockerer. Vielleicht würde sie es lösen können – was man von den Fesseln, die sie stramm an der Boje fixierten, nicht behaupten konnte. Vikki blähte die Backen. Sie öffnete den Mund und schloss ihn, machte Kaubewegungen. Das Klebeband lockerte sich weiter. Sie spitzte die Lippen, holte tief Luft und pustete sie in einem Schwall aus, als wolle sie einen Pfeil durch ein Blasrohr schießen. Das Klebeband löste sich. Es hing nur noch wie ein Fetzen an ihrer Wange. Sie sog die Luft durch den Mund ein, pumpte den Sauerstoff in die Lungen, wobei sie etwas Wasser schluckte und einen Hustenanfall bekam. Als er vorbei war, versuchte sie, sich wieder zu beruhigen.
    Dann hörte sie ein Krachen. Leise, aber deutlich zu vernehmen. Schließlich noch einen Knall und noch einen. Vikki hatte keine Ahnung, was das für Geräusche waren und woher sie kamen. Klar war aber, dass weder die Wellen noch der Wind sie verursachten.
    »Hilfe«, flüsterte Vikki. »Hilfe.«
    Dann nahm sie alle verbleibende Kraft zusammen und schrie um ihr Leben, so laut sie konnte.

78
    »Volltreffer«, rief Fred. »Wir müssen Tjark anrufen! Wir müssen auch die Hauptstelle anrufen – das hier ist ein Paradies für die Spurensicherung!«
    »Schiet«, hörte Ceylan Torsten leise sagen. Sie rollte mit dem Kopf im Nacken und suchte nach ihrem Telefon. Da war immer noch ein leichtes Fiepen im Ohr. Sie rieb sich mit der freien Hand über die Ohrmuschel und fand mit der anderen das Telefon in der Brusttasche. Das Fiepen war immer noch da. Aber es war kein dauerhaftes Fiepen. Und es kam auch nicht aus dem Ohr. Es kam aus dem Rauschen von der nahen Küste. Ceylan blickte auf und sah, dass Torsten sich bereits in die Richtung gewandt hatte, in der das Meer liegen musste.
    »Was ist da?«, fragte Ceylan.
    »Ich glaube, da ruft jemand.«
    Jetzt vernahm es Ceylan deutlich. Das Geräusch war sehr leise. Der Wind trug es durch den Nebel. Aber es war unverkennbar eine Stimme. Diese Stimme musste zu einer Person gehören – zu einer Person, die vielleicht die Schüsse gehört hatte und nun wusste, dass sich Menschen in der Nähe befanden.
    »Woher kommt das?«, fragte Ceylan atemlos.
    »Hört sich an, als käme es von der See.«
    Fred kam heraufgeeilt. »Das müsst ihr euch ansehen«, sagte er, steckte sich Torstens Dienstwaffe in den Hosenbund und ließ die beiden Patronen in der Tasche verschwinden. Ceylan legte den Finger auf die Lippen. Fred verstummte. Einen Moment später schien er das leise Rufen auch zu hören.
    »Wie weit ist das Ufer entfernt?«, fragte Ceylan.
    »Zwanzig Meter vielleicht«, schätzte Torsten.
    Fred sagte: »Die Stimme klingt weiter entfernt. Sehr viel weiter.«
    Torsten deutete in Richtung Küste: »Da muss jemand mit seinem Boot im Nebel in Seenot geraten sein …«
    »Schlimmer noch«, sagte Fred und fingerte nun ebenfalls nach seinem Telefon. »Ich fürchte, da stirbt gerade Vikki Rickmers.«

79
    Tjark betrat das Haus durch die offen stehende Tür. Als Erstes fiel ihm die LED -Leuchte einer Alarmanlage ins Auge. Dann erst sah er, dass Femke mitten im Wohnzimmer stand und mit ihrer Dienstwaffe auf Ruven zielte, der sich in der Küche aufhielt. Seine Arme waren leicht angehoben. Er blickte zu Tjark, tat einen Stoßseufzer und sagte: »Gott sei Dank.«
    Mist, dachte Tjark, das war exakt die Problemlage, die er befürchtet hatte. Femke befand sich in einem Ausnahmezustand und zielte mit der Waffe auf einen Mann, der sie womöglich seit Jahren belogen und betrogen hatte und der ein Mörder sein konnte – was jedoch längst nicht sicher war. Es war eine Möglichkeit. Sicher war hingegen, dass die Situation schnell eskalieren könnte. Weiter befand sich vor ihm eine Beamtin im Dienst, die gerade jemanden stellte, der nach ihrer Auffassung ein Tatverdächtiger war. Vielleicht wusste sie inzwischen etwas, was Tjark nicht wusste. Er musste einen Überblick gewinnen und dafür sorgen, dass hier nichts aus dem Ruder lief. Tjark hob die Hände ein wenig, die Innenflächen zu Femke gewendet, und sagte: »Nur die Ruhe, Femke …«
    »Ich bin ruhig!«, schrie Femke.
    »Femke!« Ruvens Stimme klang flehentlich. »Ich kann es nur wiederholen: Das auf den Bildern bin nicht ich. Ich bin noch nie in meinem Leben in der Zeitung …«
    »Das Bild zeigt Michael Bartels! Du bist Michael Bartels, gebürtig aus Menden im Sauerland!«
    »Den Namen habe ich noch nie gehört. Auf dem Bild im Album ist irgendein Junge zu sehen, mit dem ich am

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