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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Strand gespielt habe.«
    Tjark machte einen weiteren Schritt nach vorne. Vorsichtig, lautlos, und er reimte sich die Dinge zusammen. Femke hatte also zwischenzeitlich die Aufnahmen von diesem Reents bekommen. Sie meinte, darauf Ruven erkannt zu haben, und war aufgebrochen, um das mittels eines Vergleichsbilds zu verifizieren, was ihr augenscheinlich gelungen war. Allerdings würde so ein Foto als Beweis nichts taugen, nicht einmal als Anlass für eine Verhaftung. Jeder Anwalt würde Femke außerdem in der Luft zerreißen, weil sie ohne Durchsuchungsbefehl regelrecht in eine Wohnung eingebrochen war, um an das Bild zu gelangen – und weiter, weil sie persönlich involviert und damit so befangen war, wie man es sich als Strafverteidiger nur wünschen konnte. Außerdem schien sich Ruven in keiner Weise ertappt zu fühlen und klang ziemlich überzeugend – was wiederum ebenfalls nichts heißen musste. Tjark hatte zwar noch keine Pferde kotzen sehen, aber viele Dinge erlebt, die dem sehr nahekamen.
    Ruven erklärte: »Du weißt genau, dass mein Elternhaus abgebrannt ist – damals, nach dem Tod meiner Schwester. Es blieb uns fast nichts mehr, und die paar Erinnerungsbilder von Urlauben und aus meiner Kindheit kleben in diesem Album, meine Güte! Darunter auch das Bild von meinem damaligen Ferienfreund, an den ich mich nicht mehr erinnern kann – ich war sechs Jahre alt!«
    Femke sagte nichts.
    »Du glaubst ihm nicht?«, fragte Tjark. Er tat einen weiteren Schritt. Irgendwie musste er sie dazu bringen, die Waffe abzulegen oder ihm zu geben, bevor die Sache kippte.
    Femke sagte nichts.
    »Eltern machen Bilder von Kindern beim Spielen an Stränden«, sagte Tjark und ließ Femke nicht aus den Augen. »Ich habe ebenfalls Bilder von Kindern, an die ich mich nicht erinnern kann.« Noch ein Schritt, und jetzt war er sehr nah bei Femke. »Was war das damals für ein Brand, Ruven?«
    »Meine Schwester ist an Leukämie gestorben. Meine Eltern haben ihr Zimmer unberührt gelassen. Mutter verfiel in tiefe Depressionen und bekam immer wieder Nervenzusammenbrüche. Drei Jahre nach dem Tod meiner Schwester ist sie durchgedreht und hat ihr Zimmer angesteckt. Mein Vater und ich schliefen gerade … Er hat das Feuer bemerkt und mich und Mutter gerettet. Mutter musste ins Krankenhaus und kam danach in die Psychiatrie. Meine ganze verdammte Kindheit war von alldem überschattet und …«
    »Du hast mir so wenig über deine Kindheit erzählt«, keuchte Femke, »du hast mir nie irgendetwas gezeigt, das …«
    »Weil ich damit abgeschlossen habe!«, blaffte Ruven. »Weil ich nichts mehr davon wissen will! Wende dein Gesicht der Sonne zu und lass die Schatten hinter dir – das ist mein Spruch, Femke, oder?«
    Sie nickte leicht.
    Tjark sagte: »Femke. Du solltest die Waffe runternehmen und wegstecken oder sie mir geben, was noch besser wäre.« Er streckte die rechte Hand aus, bewegte sich auf Femke zu und dachte dabei, dass er kein guter Krisenmanager war. Am liebsten löste er Krisen, indem er jemandem schneller eine verpasste, als dieser reagieren konnte. Das war am effektivsten, aber das konnte er hier vergessen. Außerdem entwaffnete man jemanden nur dann sicher, wenn man wusste, dass das Gegenüber eigentlich gar nicht schießen wollte oder abgelenkt war. Auch das traf hier nicht zu. Noch nicht.
    »Hier ist mein Telefon«, sagte Ruven. »Die Nummern meiner Eltern sind gespeichert. Sie leben jetzt bei Frankfurt. Ich habe seit Jahren nicht mehr mit ihnen gesprochen. Ruf sie an, wenn du mir nicht glaubst. Frag sie nach meiner Schwester. Frag sie nach mir. Und wenn du die Personalien von diesem Michael Bartels hast, dann ruf auch dessen Eltern an – oder am besten ihn selbst!«
    Femke schien etwas zu zweifeln – an sich, an allem. Auf dieser Verunsicherung ließ sich aufbauen. Vorsichtig streckte Tjark die Hand aus und behielt Ruven ebenfalls im Blick. »Ich stelle dir jetzt einige einfache Fragen, Ruven, und du solltest sie sehr einfach beantworten.«
    »Bist du der Junge auf den Bildern?«
    »Nein.«
    »Heißt du eigentlich Michael Bartels?«
    »Nein, mein Gott!«
    »Ist deine Schwester in Werlesiel in einem Priel ertrunken?«
    »Sie ist an Leukämie gestorben.«
    »Hast du mir aus freien Stücken heute bei einer verdeckten Überwachung geholfen und ohne Druck die Polizei unterstützt?«
    »Natürlich.«
    »Hast du mir aus freien Stücken die Liste mit deinen Überwachungseinsätzen bei Mommsen ausgehändigt?«
    »Sicher.«
    »Warum hast

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