Dünengrab
du das alles getan?«
»Damit der Mörder gefunden wird. Damit Vikki gefunden wird.«
»Das hast du getan, obwohl es dich hätte belasten können, wenn du der Mörder wärst?«
»Ich bin nicht der Mörder.«
»Beantworte meine Frage, Ruven. Immer meine Fragen beantworten.« Tjarks Hand hatte nun fast Femkes Dienstwaffe erreicht. Femke war verunsichert. Sie würde jetzt nicht mehr schießen wollen.
Ruven sagte: »Natürlich hätten mich die Listen belasten können.«
»Vielleicht werden sie das noch tun. Wir werden eine erkennungsdienstliche Behandlung durchführen müssen, dir Fingerabdrücke abnehmen, einen DNA -Test beauftragen und die Ergebnisse mit den Spuren vergleichen, die wir an den Gegenständen gefunden haben, die Vikki Rickmers gehören.« Das war ein Bluff, sie hatten keine Fingerabdrücke gefunden. »Wir werden diese Anrufe bei deinen Eltern tätigen, dich offiziell vernehmen müssen. Du hast das Recht, dazu einen Anwalt hinzuzuziehen.«
»Nicht nötig.«
»Hast du das gehört, Femke?«
Ihr Nicken war mehr wie ein Zittern.
»Wir haben alles unter Kontrolle und werden alles in Ruhe untersuchen, und wir werden Ruven zu allem anhören, der sich einer Vernehmung bereitwillig stellen wird.«
Sie nickte erneut und schluchzte.
»Vielleicht hast du mit dem Foto recht, Femke, vielleicht aber auch nicht. Und wenn du ehrlich zu dir bist: Das Bild sagt nur wenig aus. Vielleicht ist Ruven wirklich dieser Michael Bartels – was zwar bedeuten könnte, dass er dich belogen hat, was aber noch lange nicht belegt, dass Ruven ein Mörder ist. Außerdem: Würde eine Mutter sorgfältig ein Erinnerungsalbum anlegen mit Bildern von dem Ort, an dem ihre Tochter ums Leben gekommen ist?«
Aus dem Augenwinkel nahm Tjark eine Regung wahr – Ruven, der offensichtlich gerade protestieren wollte. »Was hinter alldem steckt, werden wir feststellen, Femke, und zwar so, wie Profis das tun. Wir werden unsere Emotionen ausblenden, weil sie uns täuschen können. Solange deine Gefühle dich im Griff haben und nicht du deine Gefühle, solltest du mir jedenfalls besser die Dienstwaffe geben. Denn falls du sie benutzt und ich als Zeuge aussagen müsste, dass du sie auf der Grundlage einer Mutmaßung über ein altes Kinderbild eingesetzt hast, werden wir vor Gericht sehr schlecht aussehen.«
Tjark legte die Hand auf den Lauf der Pistole. Femke trat beiseite und sah Tjark stumm an. Tränen liefen ihr aus den Augenwinkeln.
»Es ist alles unter Kontrolle, Femke«, sagte er ruhig und drückte die Waffe nach unten. Femke ließ es geschehen. Tjark nahm ihr die Waffe aus der Hand und steckte sie am Kreuz in den Hosenbund. Er hörte Ruven lautstark ausatmen. »Alles okay?«
Sie wischte sich die Tränen von der Wange. »Ich bin gleich wieder okay.«
Tjark wandte sich zu Ruven. Er hielt sich mit einer Hand an der Arbeitsplatte fest und starrte auf sein vor ihm liegendes Handy.
»Bei dir ebenfalls alles okay, Ruven?«
Er machte eine abwehrende Geste. Seine Hand zitterte ein wenig. »Ich weiß nicht«, sagte er mit einem unsicheren Lächeln und steckte das Telefon ein. »Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich damit umgehen soll, dass …«
Alle zuckten zusammen, als Tjarks Telefon läutete. Fred. Er erklärte, was sie entdeckt hatten. Nachdem er das Gespräch beendet hatte, warf Tjark das Telefon einige Male ratlos von der rechten in die linke Hand. Für einen Moment herrschte in seinem Kopf eine riesige Leere, wie eine Ruhe vor dem Sturm. Der Moment war schnell wieder vorbei.
»Fred hat den Ort gefunden, an dem Vikki wahrscheinlich versteckt gewesen ist«, sagte Tjark.
»Ort?«, fragte Femke. »Welcher Ort?«
»Ein alter Bunker im Naturschutzgebiet auf dem früheren Übungsgelände der Marine. Der Ort, an dem man damals den Jungen aufgelesen hatte.«
»O Gott.« Femke schlug sich mit der Hand auf den Mund.
»Es scheint sich auch jemand in Seenot zu befinden. Fred sagt, es war eine leise Frauenstimme von der See her zu hören. Er glaubt, dass es Vikki ist. Er glaubt, sie ist an diesem …«
»… Norderpriel!«, rief Femke dazwischen. »Das ist der Priel, an dem das Mädchen damals gestorben ist – es passt alles ins Bild!«
»Es ist auflaufendes Wasser«, erklärte Ruven und warf einen Blick auf die Uhr. »Die Flut kommt.«
»Ich rufe Gerret an.« Femke fischte nach ihrem Handy.
Tjark fragte nicht nach, wer Gerret war. Er hörte Ruven sagen: »Der Priel ist nicht weit von der Werlesieler Hafenfahrrinne, aber er ist zu weit
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