Dünengrab
in Dänemark landeten.
Fred war ins Gespräch mit Handwerkern vertieft, als Tjark vorfuhr und nach dem Aussteigen die Tür extra laut zuklappte. Fred drehte sich um und hob die Hand – weniger als Gruß, sondern eher, um Tjark zu bedeuten, dass er noch einen Augenblick brauchte. Tjark nutzte die Gelegenheit, sich eine Zigarette anzustecken und den Fredschen Pyramidenbau in Augenschein zu nehmen.
Er dachte daran zurück, dass er ebenfalls einmal vor der Entscheidung gestanden hatte, ein Haus zu bauen und eine Familie zu gründen. Damals, mit Sabine – wobei »damals« relativ war, denn die Scheidung lag gerade mal drei Jahre zurück. Der Gedanke versetzte ihm einen kleinen Stich. Er hatte vom großen Glück geträumt und am Ende festgestellt, dass er einer Fata Morgana aufgesessen war. Sabine hatte ihm vorgeworfen, Tjark habe sie mit sich selbst betrogen. Es war schwierig, diese Aussage vor dem Hintergrund zu betrachten, dass er Sabine mit ihrem Personal Trainer im Bett erwischt hatte. Sie war danach ausgezogen und hatte Tjark das Loft überlassen. Einige Zeit hatte er damit zugebracht, den Echos besserer Tage zwischen den Wänden zu lauschen. Dann hatte er einen neuen Computer gekauft und begonnen, »Im Abgrund« zu schreiben.
Seither waren die Wogen zwischen ihm und Sabine wieder geglättet. Tjark hatte ihr zwar nicht verziehen, aber verstanden, dass sie von Beginn an in anderen Welten gelebt hatten und er das geflissentlich ignorierte – Sabine, die erfolgreiche Brokerin, und er, der Polizist, der den Dreck aus den Straßen kehrt. Dennoch hatte Tjark an die Zukunft geglaubt, an Kinder, einen Golden Retriever …
Fred hingegen war jetzt fünfundvierzig Jahre alt – nicht unbedingt der passende Zeitpunkt, um sich mit einem Haus ein eigenes Denkmal zu setzen, denn nichts anderes war es. Fred schwor jedoch Stein und Bein, er habe immer schon von einem eigenen Häuschen geträumt, seine Frau Greta ebenfalls. Das Grundstück lag in einem der besseren Neubaugebiete und war großzügig genug bemessen, um es irgendwann mit einem Swimmingpool nachzurüsten. Der Rohbau stand, am Richtkranz auf dem Dachfirst flatterten bunte Bänder. Es war inzwischen gut zu erkennen, dass das Haus locker einer sechsköpfigen Familie Platz bieten konnte. Allerdings würden in Freds Haus niemals Kinder spielen, denn Greta konnte keine bekommen. Gerade als Tjark sich fragte, wo der Pharao wohl seinen Sarkophag hinstellen lassen werde, hörte er eine Stimme hinter sich.
»Guten Morgen, Tjark Wolf«, sagte Greta und drängte sich an einer Betonmischmaschine vorbei. Freds Frau war mit zwei braunen Einkaufstüten vom Baumarkt bepackt. Ihr Gesicht hatte die Farbe des Neubauestrichs. Die Haare fielen ihr strähnig ins Gesicht. Ihre Latzhose war mit Farbe und Mörtel bekleckert. Greta stellte die Tüten auf einer mit weißen Mauersteinen bepackten Palette ab und schnaubte.
Bevor das Projekt »Pyramide« in Angriff genommen worden war, hatte sie noch ausgesehen wie das strahlende Leben. Greta war zehn Jahre jünger als Fred und führte in der Stadt eine Parfümerie, die gut lief und sicher die Turbine war, die den Kreditmotor für das Projekt Eigenheim antrieb. Sie trug ihr Herz auf der Zunge und konnte hart wie der Stahl sein, mit dem ihr künftiges Haus bewehrt war. Einen solchen Panzer brauchte man, wenn täglich damit zu rechnen war, dass der Ehemann abends nicht nach Hause kam, sondern im Krankenhaus oder beim Leichenbeschauer lag, weil ein Krimineller schneller gewesen war als er. Sabine hatte diesen Panzer nicht gehabt.
»Dein Auto sieht aus, als kämst du damit gerade aus Afghanistan«, sagte Greta.
Tjark pustete einen feinen Strahl Rauch in den tiefblauen Himmel. »Kollateralschaden«, antwortete er.
»Hm«, machte Greta, deren Interesse bereits wieder erloschen war, verschränkte die Arme und verscheuchte eine Wespe. »Fred spricht noch mit dem Elektriker«, erklärte sie. »Der kann erst loslegen, wenn der Heizungsbauer da war und festgelegt hat, wohin die Anschlüsse für die Fußbodenheizung sollen. Der Heizungsbauer ist aber im Urlaub. Deswegen kann der Elektriker nicht beginnen. Wenn er nicht beginnen kann, können die Maurer nicht verputzen. Morgen sollen außerdem die Dachpfannen kommen. Wir wollten am Wochenende mit dem Decken beginnen, aber wie es aussieht, wird daraus wohl nichts.« Greta blickte Tjark ausdruckslos an.
»Bis zum Wochenende sind wir zurück«, sagte er und schnippte die Kippe weg. Sie blieb in einer
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