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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Schließlich erklärte Berndtsen die Versammlung für beendet. Der Raum leerte sich blitzartig. Auch Tjark ging hinaus und blieb mit Fred und Femke am Flurfenster stehen. Fred rieb sich den Nacken, während er seine SMS überflog. Er sah Tjarks fragenden Blick und erklärte: »Mein Installateur. Es gibt ein Problem mit der Fußbodenheizung.«
    »Ich finde«, murmelte Femke leise und sehr ernst, »es gibt hier noch ganz andere Probleme, und ich wüsste gerne …«
    Tjark unterbrach sie. »Gehen wir einen Kaffee trinken und holen uns ein paar Brötchen.«
    Femkes Mund öffnete und schloss sich wie bei einem Fisch auf dem Trocknen.
    Fred steckte das Handy weg. »Sag nie nein zu einem Brötchen«, meinte er. »Vamos.«

41
    Vor der Bäckerei am Hafen roch es nach einer Mischung aus Diesel, Fisch und süßen Puddingteilchen. Femke war schlecht. Ein Kutter legte gerade ab. Möwen kreischten ihm hinterher. Fred und Tjark saßen auf einer Mauer am Kai und taten sich an belegten Brötchen gütlich, die Mama hatte springen lassen. Femke war der Appetit längst vergangen.
    »Ich kann nicht glauben«, sagte sie, »dass die Soko wirklich verlegt werden soll. Ich meine, hallo? Hier wurden Leichen gefunden, und nicht woanders, und Vikki ist nach wie vor vermisst.«
    »Zerbrich dir nicht den Kopf«, sagte Fred mit vollem Mund. »Das liegt an der Statistik.«
    »Statistik?«
    Der Wind zerzauste Freds Haar. »Wenn es vierundzwanzig Stunden nach dem Verschwinden einer Person keine greifbaren Spuren gibt, ist das schlecht. Wenn sich nach achtundvierzig Stunden nichts tut, kannst du zu neunzig Prozent davon ausgehen, dass die Person tot ist oder verlässlich untertauchen will. Vikki ist seit deutlich mehr als zweiundsiebzig Stunden vermisst. Es gibt weder Hinweise auf ihren Aufenthaltsort, noch ist irgendeine Forderung aufgetaucht, noch haben wir Belege, dass sie in der Hand des Mörders ist. Berndtsen denkt ökonomisch.«
    Ökonomisch? Femke spie ein verächtliches Lachen aus.
    Fred zuckte mit den Achseln. »Budgetwesen«, erklärte er. »So ist das nun mal. Hast du eine Ahnung, was es kostet, eine Soko außerhalb des Adlernests zu unterhalten?«
    »Fred hat recht«, meldete sich Tjark zu Wort. »Es klingt zynisch, aber niemand hat je behauptet, dass die Wirklichkeit nicht zynisch wäre.«
    »Wir können die Suche doch nicht aufgeben!«
    »Tun wir ja auch nicht.«
    Femke verschränkte die Arme vor der Brust und verlagerte ihr Gewicht vom rechten auf das linke Bein. Sie musterte Tjark, der sich gerade einige Krümel aus dem Mundwinkel wischte. »Vertue ich mich«, fragte Femke, »oder hast du nicht eine ganz andere Einschätzung des Falls als dein Chef?«
    »Doch«, antwortete Tjark, »habe ich.«
    »Und warum hast du nichts gesagt?«
    Fred sagte: »Berndtsen hat eine denkbare Möglichkeit präsentiert. Es gibt aber auch andere denkbare Möglichkeiten.«
    »Bist du jetzt Tjarks Pressesprecher?«
    Fred schwieg und blickte hinaus aufs Meer.
    Tjark steckte sich eine an. »Es ist logistisch wie wirtschaftlich aus Berndtsens Sicht sinnvoll, die Soko zu verlegen. Außerdem kann an der Wilhelmshaven-Sache etwas dran sein. Andererseits hat Berndtsen die Chance wahrgenommen, um Fred und mich loszuwerden – das wollte er von Anfang an. Deswegen lässt er uns in Werlesiel. Hier nerven wir ihn nicht – und bringen vielleicht noch was Nützliches zustande.«
    Femke war irritiert. Sie verstand nicht, wie Tjark und Fred so gelassen bleiben konnten, aber bevor sie erneut nach Gründen fragen konnte, ergriff Fred wieder das Wort: »Berndtsen wollte uns vor den Füßen weg und wir Berndtsen. Deswegen haben wir die Klappe gehalten.«
    »Sein Entschluss stand ohnehin fest«, ergänzte Tjark. »Und das ist in unserem Sinn. Ebenfalls, den Umzug der Soko über die Presse zu verkünden. Der Täter wird das lesen.«
    Femke sah zwischen beiden hin und her. »Muss ich das verstehen?«
    Tjark lächelte: »Es ist wie mit den Asseln, wenn du einen Stein hochhebst. Sie scheuen das Licht und rennen weg. Sie kommen erst zurück, wenn es wieder dunkel wird. Sobald der Täter glaubt, dass Ruhe einzieht, sind Fred und ich zur Stelle.«
    »Ermittlungstaktik«, fügte Fred an. »Wie in einem Schachspiel. Entweder gewinnen wir, oder wir verlieren. Am Ende gewinnen wir meistens.«
    »Aber es geht um ein Menschenleben, und wenn Vikki noch nicht tot ist, dann …«
    »Ich glaube, dass sie noch lebt«, sagte Tjark. »Und ich bin ziemlich sicher, die Antworten auf alle offenen

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