Dünengrab
uns etwas anderes überlegen müssen. In Kürze gibt es wieder eine Zusammenkunft bei Mommsen. Die sollten wir uns mal ansehen.«
Fred ließ den Satz unkommentiert. Stattdessen sagte er: »Ich habe noch einen Treffer.«
Tjark hielt in der Bewegung inne. »Das Taxiunternehmen?«
»Das Taxiunternehmen«, bestätigte Fred. »Mommsen hatte uns die Firma Brunsen genannt und suggeriert, dass für Vikki ein Wagen gerufen worden sei. Brunsen hat das bestätigt und mir den Fahrer genannt. Dieser hat die Fahrt ebenfalls bestätigt. Er sagt, dass er gegen 1.25 Uhr mit einer Mercedes-Limousine zu Werlesieler gefahren war, und zwar im dicksten Nebel. Er konnte nicht schnell fahren und hat lange gebraucht. An der Schranke habe er die Kundin gesucht, sie sei aber nicht da gewesen. Er wollte in der Brauerei-Verwaltung nachfragen, doch das Gelände war abgesperrt. Er rief an, niemand nahm ab. Darauf habe er in der Zentrale nachgefragt. Die Zentrale wollte bei der Nummer anrufen, von der aus der Auftrag erteilt worden war. Der Anruf sei aber mit Rufnummernunterdrückung erfolgt. Daraufhin fuhr der Fahrer wieder zurück.«
»Was wissen wir über den Mann?«
»Noch nichts. Morgen früh haben wir diese Soko-Besprechung in der Hauptstelle. Ich werde ihn dann überprüfen lassen.«
Tjark verschloss den Gürtel und zog ein Paar Turnschuhe an. »Wir werden das Taxi möglicherweise sicherstellen und untersuchen lassen müssen.«
Fred lupfte die Brauen, warf seine restlichen Sachen in die Umhängetasche und stand auf. »Ich fürchte, dazu haben wir zu wenig in der Hand.«
Tjark konnte es nicht mehr hören, aber Fred hatte recht. »Du fährst nach Hause?«
»Ich muss noch auf der Baustelle nach dem Rechten sehen. Und morgen treffen wir uns ohnehin in der Hauptstelle – dem Vernehmen nach gibt es Neuigkeiten.«
»Welche?«
»Keine Ahnung.«
Tjark stopfte den Hemdsaum in die Hose und dachte nach. Keine Einträge über Mommsen in Polizeidatenbanken, keine Vermerke im Bundeszentralregister, was beachtlich war: Jemand vom Kaliber Mommsens war an sich prädestiniert dafür, wenigstens einmal heftig mit der Steuer, Neidern oder fragwürdigen Geschäftspartnern in Konflikt geraten zu sein. Aber der Schein trog wohl, und genau das war das Problem: Mommsen mochte ein Drecksack sein, aber er war sauber – und das waren Serientäter für gewöhnlich nicht. Körperverletzungen, Brandstiftung, versuchte Nötigungen, andere sexuelle Übergriffe, Tierquälerei – solche Sachen tauchten sehr oft in der Vita auf.
»Wir kommen nicht weiter, Fred«, sagte Tjark und griff nach einem Kapuzenpullover. »Irgendetwas muss geschehen.«
»Wir nehmen uns erst mal Harm zur Brust. Harm hat nicht mit einem Wort erwähnt, dass er bei Mommsen zu Gast gewesen ist. Mommsen hat Harms Präsenz nicht dementiert. Um eine Vorladung für Mommsen musst du dich noch kümmern. Für eine Vorladung von Harm haben wir inzwischen das Okay.«
Das war richtig – aber Tjark ging jetzt bereits davon aus, dass sich alle, die an dem betreffenden Abend bei Mommsen zu Gast waren, wechselseitig decken würden. Sie würden aussagen, dass Vikki gegangen und sie selbst geblieben waren. Was durchaus so stimmen mochte – vielleicht aber auch nicht. Er würde ihnen sagen, dass wegen Verdachts fahrlässiger Tötung und Mordes gegen unbekannt ermittelt werde, um Druck aufzubauen. Es war dann abzuwarten, wer als Erster einknickte. Falls überhaupt jemand kam. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung musste niemand zu polizeilichen Vorladungen erscheinen. Lediglich eine Vorladung von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht war verbindlich. Mommsens Anwalt würde das wissen, zumal der Brauereibesitzer gewiss von keinem schlechten Anwalt vertreten würde.
Fred hob die Hand zum Abschied. »Wir sehen uns.«
»Wir sehen uns«, antwortete Tjark, nahm eine Zigarette aus der Schachtel, griff nach dem Laptop und nahm beides mit auf den Balkon. Er steckte die Zigarette an und sah dem Rauch hinterher.
Es war nach wie vor denkbar, dass bei Mommsen etwas aus dem Ruder gelaufen war. Man hatte gefeiert und sich dazu eine Nutte kommen lassen. Dann war einer durchgedreht oder ein Unfall geschehen, und man musste Vikki entsorgen. Man brachte sie fort, überraschenderweise lebte sie aber noch und entkam. Dann könnte es zur Geschichte von Fokko Broer passen.
Möglicherweise hatte sich jemand entschieden, Vikki nach Hause zu bringen, und wollte unterwegs eine schnelle Nummer. Die Sache war eskaliert – dann
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