Dünengrab
passte es ebenfalls zu Fokkos Geschichte.
Schließlich mochte es sein, dass der Taxifahrer Fred Unsinn erzählt und Vikki auf dem Gewissen hatte. Allerdings hatte er eine Limousine gefahren, keinen SUV , und das passte nicht zu den Spuren bei Fokko Broer.
Tjark sog an der Zigarette. Harm hatte einen Kastenwagen, aber keinen SUV . Mommsens Frau schon. Vielleicht hatte Mommsen mit ihrem Wagen Vikki gefahren, und Vikki hatte bei der Party etwas aufgeschnappt oder gesehen, das sie nicht sehen oder wissen durfte. Vikki könnte Mommsen mit ihrem Wissen unter Druck gesetzt haben. Sie wollte Geld, es gab Streit. Mommsen drehte durch – und Fokko Broer wurde ein unliebsamer Zeuge. Ein Zeuge, dem Mommsen später Geld anbot, damit er schwieg. Allerdings wäre es dann Unfug gewesen, vorher noch ein Taxi zu bestellen.
Alle Varianten beantworteten eine Frage nicht: Gehörte Vikki in die Mordserie, oder musste der Fall nicht doch isoliert betrachtet werden? Tjarks Gefühl sagte zwar etwas anderes – aber es war nur schwer vorstellbar, dass schon drei Mal zuvor etwas bei Mommsen entglitten war, dass drei Mal zuvor jemand etwas mitbekommen hatte, das geheim bleiben musste oder einen Täter so schwer erpressbar machte, dass drei Mal deswegen jemand sterben musste.
Tjark sog an der Zigarette und warf einen Blick auf seine E-Mails. Eine stammte von Ruven. Es waren die versprochenen Dateien, er hatte prompt geliefert. Während Tjark die Excel-Formulare herunterlud und sicherte, beobachtete er aus den Augenwinkeln, wie ein Fischkutter entladen wurde und Fred aus der Parklücke heraussetzte und wegfuhr. Sein eigener Wagen stand auf der gegenüberliegenden Seite, und …
Etwas klemmte an der Windschutzscheibe. Es sah nicht aus wie eine Werbebroschüre.
Tjark schnappte sich den Autoschlüssel und lief die Treppen runter. Als er am Wagen angekommen war, erkannte er, dass jemand einen Briefumschlag hinter den Scheibenwischer geklemmt hatte. Tjark öffnete den BMW , nahm ein paar Latexhandschuhe aus einem Ablagefach und zog sie über. Dann fasste er mit spitzen Fingern nach dem Umschlag und betrachtete ihn genauer.
Es war ein festes Kuvert aus dickem Papier. Tjark nutzte die Klinge des kleinen Taschenmessers an seinem Schlüsselbund, um den Umschlag zu öffnen. Darin befand sich ein Bogen Briefpapier. Weder die eine noch die andere Seite waren beschrieben. Das Papier war völlig blank – bis auf den aufwendig gedruckten Briefkopf. Es war der Briefkopf der Werlesieler Brauerei.
47
Femke hielt mit dem Wagen vor der Einfahrt, stellte den Motor aus und zog sich die Uniformjacke über. Jetzt, gegen Abend, war ein wenig Wind aufgekommen. Im Gehen zog sie den Einsatzgürtel hoch und steckte das hellblaue Hemd in die Hose. Ihre Schritte knirschten auf dem Kies, und dann sah sie die Bescherung.
Ruven lehnte an seinem mit »EagleEye Security« beschrifteten Pick-up, hob zum Gruß die Rechte und deutete mit einem Kopfnicken in Richtung von Fokkos Haus.
»Schiet.« Femke blieb neben ihm stehen und stemmte die Hände in die Hüften, während sie sich einen Überblick verschaffte. Aus den Blumenkästen waren die Geranien herausgerupft und auf die Einfahrt geworfen worden, zwei Fensterscheiben waren zersplittert, und dann waren da die Schmierereien. Sie leuchteten in einem Rotorange, das Femke an die Farbe von Notarztfahrzeugen erinnerte. Sie sahen aus wie mit Farbspray aufgetragen. An der Haustür stand das Wort »Mörder«, links daneben »Todesstrafe«.
»Die haben ganze Arbeit geleistet«, sagte Ruven.
»Mann, Mann!« Femke kickte einen Stein weg. »Welche dämlichen Volltöffel machen dem so was! Zu dumm zum Milchholen!«
»Ich mag es, wenn du wütend bist.«
Femke warf Ruven einen angriffslustigen Blick zu, der sofort abwehrend die Hände hob. »Ich habe keine Ahnung, wer das war.«
»Die Leute sind völlig irre. Im Ort ist auch schon fast was passiert. Wilhelm Leefmann wollte Fokko eine verpassen. Tjark hat das gerade noch verhindert.«
»Wie heldenhaft«, antwortete Ruven. Der Ton, in dem er es sagte, ließ Femke für einen Moment aufmerken.
Sie fragte: »Wo ist Fokko überhaupt?«
»Mit dem Roller zum Baumarkt, Verdünnung besorgen, um die Farbe abzuschrubben.«
»Und wieso ruft der mich nicht an und erstattet Anzeige?«
»Ich war kurz im Büro, um eine Mail zu verschicken, dann bin ich hier vorbeigefahren«, erklärte Ruven, »weil du mich darum gebeten hattest. Da sah ich das Malheur und traf Fokko. Ich hab ihm gesagt, er
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