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Duenenmond

Duenenmond

Titel: Duenenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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konnte ja ein netter Abend werden!
    »Warum hat dein Vater dich nie mitgenommen, wenn er so oft hier war?«, fragte Jan unvermittelt.
    »Wie kommst du darauf?« Jo sah ihn erschrocken an.
    »Du hast gestern auf dem Boot gesagt, dass dein Vater oft hier war, euch aber nie mitgenommen hat. Dich und … deine Geschwister?«
    »Nein, mich und meine Mutter.« Sie nagte an ihrer Unterlippe.
    »Hatte er beruflich hier zu tun?«
    Jo lachte auf. »Nein, was soll man hier wohl beruflich zu tun haben? Er hat hier Ferien gemacht.«
    »Hätte ja sein können. Hier wird auch mit anderen Dingen Geld verdient als nur mit Gästen.«
    Jo dachte, sie sollte sich für ihren ruppigen Ton entschuldigen. Aber sie wollte mit ihm überhaupt nicht über ihren Vater reden. Schlimm genug, dass sie den ganzen Tag an ihn gedacht hatte.
    »Er vertrat den Standpunkt, dass jeder Mensch einmal im Jahr Zeit für sich haben sollte, und es war ihm dabei völlig egal, ob ich meine Sommerferien gerne mit beiden Elternteilen verbracht hätte. Dass eine Familie einmal im Jahr Zeit miteinander verbringen sollte, zählte für ihn nicht.«
    »Hättet ihr denn keinen Mittelweg finden können? Eine Woche Urlaub für ihn allein, und dann wärt ihr nachgekommen?« Da war es wieder: Ganz automatisch wanderte sein Zeigefinger zu seiner Lippe.
    »Wir waren kompromissbereit, mein Vater aber nicht«, antwortete Jo einsilbig.
    »Und jetzt hast du ihn nicht mitgenommen«, sagte er und fügte wie ein trotziges Kind hinzu: »So!« Er lachte. Es war klar, dass er sie aufmuntern wollte.
    »Mein Vater ist seit einem Jahr tot.«
    »Oh, Entschuldigung, das wusste ich nicht.«
    »Das hätte mich auch gewundert«, entgegnete sie und schmunzelte. »Vergiss es, das ist Vergangenheit. Es lohnt sich nicht, sich jetzt noch den Kopf darüber zu zerbrechen.«
    »Hm«, machte er, wechselte dann aber das Thema: »Noch ein Bier?«
    »Ja, gern.« Er gab dem Wirt hinter dem Tresen ein Zeichen, und Jo leerte eilig ihr Glas. Jan trank Rotwein. Schon wieder so eine Sache, mit der er sie überraschte. Sie musste sich zum wiederholten Mal eingestehen, wie sehr sie mit ihrer Einschätzung bei diesem Mann daneben gelegen hatte.
    »Wir wollten über deine Geschäftsidee sprechen«, sagte sie ein wenig zu laut. Es wurde Zeit, diese zähe Unterhaltung endlich in Schwung zu bringen, ohne dass sie ihre Vater-Tochter-Krise aufarbeiten musste.
    »Du wolltest darüber sprechen«, stellte er richtig.
    Die Getränke kamen.
    »Ich will darauf trinken.« Er hob sein Glas und strahlte sie an. Seine Augen hatten das gleiche unergründliche Grau-Blau wie die Ostsee, dachte Jo.
    Lieber Himmel, war dieser Vergleich wirklich ihr in den Sinn gekommen?
    »Na, dann Prost!«, sagte sie, nickte ihm kurz zu und trank einen großen Schluck. »Ich finde deine Idee wirklich interessant. Wenn du es schlau anpackst, kannst du damit einenrichtigen Volltreffer landen, glaube ich.« Sie stützte die Ellenbogen auf den Tisch und faltete die Hände.
    »Glaube ich auch.«
    »Du solltest allerdings unbedingt deine Karre erneuern. Dein Eiswagen ist hoffnungslos altmodisch. Dabei ist es ganz wichtig, dass er auffällt, dass er gleich ins Auge springt. Bildlich gesprochen.«
    Jan stützte sich wieder auf den Tisch. Sein Gesicht kam ihrem dabei sehr nahe. Ein Lächeln lag um seinen Mund.
    »Was hast du eigentlich für ein Problem mit der Vergangenheit?«
    »Ich habe gar kein Problem mit der Vergangenheit.« Sie musste an die Masseurin denken, die etwas vom Sitz der Vergangenheit im Rücken erzählt hatte. Vielleicht war ja doch etwas daran, und Jo litt deshalb so oft unter Verspannungen. Sie nahm einen weiteren Schluck.
    »Ich finde einfach, dass der Eiswagen dringend ein Design mit Wiedererkennungseffekt braucht.«
    »Den hat er doch. Das ist immerhin ein umgebauter Badekarren.«
    Jo seufzte und rollte mit den Augen. »Ich meine es ernst …«, setzte sie an.
    »Ich auch«, fiel er ihr ins Wort. »Was denkst du denn?«
    »Ich denke, du willst ein Franchise-Unternehmen aufziehen.« Ihr Ton wurde jetzt geschäftlich. »Da müssen alle Wagen gleich aussehen. Du kannst nicht selbst mit einem alten … was?«
    »Badekarren. Weißt du nicht, was das ist?«
    »Keine Ahnung«, gab sie zu.
    »Kann ja nicht wahr sein.« Jan schüttelte wieder den Kopf, wozu er sich gerade aufrichtete und endlich die Nähe zwischen ihnen auflöste. »Das sind Holzkabinen, mit denen die Leute früher in die Ostsee gezogen wurden. Sie konnten sich darin umziehen und

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