Duenenmond
Hosentasche.
»Ich bezahle«, protestierte Jo.
»Du brauchst mir nicht beweisen, dass du emanzipiert bist.«
»Das hat doch damit nichts zu tun. Aber ich habe dich eingeladen. Du erinnerst dich?«
»Okay, wie du willst.«
Wieder gingen sie gemeinsam durch die Dunkelheit zum Hotel. Der Wind hatte nachgelassen. Wie es aussah, würde es morgen ein heißer Tag werden.
Als sie an einem kleinen Weg vorüberkamen, sagte Jan: »Hier wohne ich. Wenn du morgen kommen willst – ich bin gegen achtzehn Uhr bestimmt zu Hause.«
»Okay, mal sehen«, murmelte sie.
»Du gehst einfach ganz durch bis zum Ende des Weges. Wenn du denkst, da kommt kein Haus mehr, gehst du noch ein paar Schritte weiter, dann siehst du es auf der linken Seite. Soll ich es dir zeigen?
»Nein, nein, das finde ich schon.«
Anscheinend hatte er nicht vor, sie heute bis vor ihre Unterkunft zu begleiten. Kein Wunder, sie hatte sich unmöglich benommen. Sie bedauerte, dann wohl auch auf einen Gute-Nacht-Kuss von seinen weichen Lippen verzichten zu müssen.
»Was ist heute bloß in deinem Kopf los? Du kannst vielleicht eine Kratzbürste sein«, sagte Jan und lachte. Dann griff er ihre Hände und küsste sie auf den Mund. Er schmeckte angenehm nach Wein. Jo kam auf den Geschmack, doch schon trat er einen Schritt zurück, ohne allerdings ihre Hände loszulassen.
»Du kannst aber auch ganz schön überheblich sein«, meinte sie.
»Nee, nee, das hört sich nur so an, wenn ich dummer Insulaner der klugen … wie sagtest du, Festländerin … den Kopf zurechtrücken muss.«
Bevor sie etwas einwenden konnte, sprach er weiter: »Gib’s zu, du hast mich für ein blödes Land-Ei gehalten.«
Es war ihr äußerst unangenehm, dass er der Wahrheit so nahekam. Das bedeutete immerhin, dass ihr ihre Fehleinschätzung regelrecht auf der Stirn gestanden hatte.
»Quatsch«, protestierte sie.
»Sei ehrlich«, sagte Jan und drohte mit dem Zeigefinger. Schon wieder so eine Geste, die irgendwie nicht natürlich war. Konnte es sein, dass er im Umgang mit Frauen so scheu war? Die Art, wie er lachte, wie er sie mit gesenktem Kopf ansah, legte diese Vermutung nahe. Jo ließ es darauf ankommen.
»Wenn ich ganz ehrlich sein soll, habe ich dich für einen Aufreißer gehalten. Für einen, der in jeder Saison diverse Urlauberinnen verschleißt.«
»Haha!« Jan schien wirklich überrascht von ihrer Offenbarung zu sein. »Nee, das stimmt nicht. Nee, absolut nicht.« Er schüttelte belustigt und ein wenig verschämt den Kopf.
»Na …«, machte Jo, als hätte sie noch Zweifel. In diesem Moment sah er rührend hilflos aus. Sie trat einen Schritt auf ihn zu. »Dabei hättest du bestimmt Chancen«, sagte sie leise und küsste ihn. Er ließ ihre Hände los und legte die Arme um ihre Taille. Sie fuhr spielerisch mit der Zunge über seine vollen Lippen, die ihr ausgesprochen gut gefielen. Er reagierte prompt und erkundete nun seinerseits ihre Lippen, ihren Mund mitseiner Zunge. Jo schlang die Arme um seinen Nacken. Er hielt sie fest, küsste ihren Hals und ihre Schulter. Wie zufällig schob er dabei den Spaghettiträger zur Seite, so dass er ihr auf den Arm rutschte. Sie seufzte tief, legte den Kopf zurück und hoffte, dass er nicht aufhörte. Jan verstand die Einladung nur zu gut und biss ihr sanft in den Hals. Sie stöhnte.
»Ich sollte jetzt besser gehen«, flüsterte sie mit geschlossenen Augen. »Sonst komme ich heute gar nicht mehr ins Hotel.«
»Okay«, sagte er, schob ihren Träger wieder an seinen Platz und küsste sie auf die Wange. »Wir sehen uns ja morgen.« Damit ließ er sie los.
Falsche Antwort, dachte Jo. Es war doch ganz egal, ob sie in ihrem Hotel auftauchte oder nicht. Aber sie würde sich ihm bestimmt nicht aufdrängen.
»Eben«, sagte sie. »Also dann …« Sie drehte sich um.
»Josefine?«
Diesmal war sie nicht ärgerlich, dass er ihren vollständigen Namen benutzte. Wenn er ihn aussprach, klang es irgendwie schön.
»Ja?«
»Ich mache das nicht jedes Jahr mit mehreren Urlauberinnen«, sagte er ernst. »Ich mag dich einfach. Das ist alles.«
Sie lächelte. »Gute Nacht.«
Die Hitze kam mit Macht zurück. Keine noch so kleine Wolke unterbrach das Dauerstrahlen der Sonne. Eigentlich hatte Jo sich ganz fest vorgenommen, einen guten Werbeslogan für Eis am Strand zu entwickeln, aber ihr Hirn streikte. Im Schatten zu liegen und ein paar Postkarten zu schreiben, das war dasHöchste, was sie ihrem kreativen Geist abringen konnte. Schon früh kehrte sie in ihr
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