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Duenenmond

Duenenmond

Titel: Duenenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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dahinter schwimmen oder sogar darinnen in die Wellen steigen. Früher waren die Damen noch nicht so offenherzig wie heute«, ergänzte er lächelnd.
    »Von mir aus.« Jo beeindruckte seine Geschichte kein bisschen. »Ich nehme an, die wenigsten Urlauber erkennen deine alten Kisten. Und wenn jede anders aussieht, ist der Wiedererkennungseffekt gleich null.«
    »Blödsinn, die kriegen alle den gleichen Anstrich, werden auf die gleiche Art und Weise umgebaut …«
    »Woher willst du überhaupt mehr von den Dingern kriegen? Die gibt es doch bestimmt nicht an jeder Ecke.«
    »Absolut nicht. Bis jetzt habe ich vier. Das reicht für den Anfang. Aber wenn’s nachher läuft, brauche ich natürlich mehr.« Er ließ seinen Wein im Glas kreisen. »Willst du sie sehen?«, fragte er plötzlich.
    »Die alten Kisten?«
    »Karren, ja.«
    »Jetzt?«
    »Nein, morgen. Sie stehen bei mir im Schuppen. Ich wohne ja nicht weit vom Hotel entfernt. Du kannst vorbeikommen, wenn du Lust hast.«
    »Klar«, sagte sie und hoffte sehr, nicht allzu interessiert zu klingen. In Wirklichkeit freute sie sich wie ein kleines Kind über die Einladung. Sie war mehr als gespannt darauf, zu sehen, wie er wohnte. Die Wohnung verriet ihrer Meinung nachalles über einen Menschen. Um ihre Gefühle nicht preiszugeben, vermied sie es, ihn anzusehen. Stattdessen starrte sie auf die Papiermanschette auf dem Fuß ihres Bierglases und drehte sie versonnen um den Stiel. Als sie schließlich doch aufsah, stellte sie fest, dass Jan sie beobachtete. Er wirkte nachdenklich und ernst. Ehe ihr etwas einfallen wollte, worüber sie sich unterhalten konnten, streckte er die Hand nach ihr aus. Er hob für einen kurzen Moment ihr Kinn an, ließ seine Fingerspitzen über ihren Hals gleiten und auf ihrer Schulter liegen. Jo lief eine Gänsehaut über den Körper. Sie fürchtete, dass ihm das nicht entgangen war. So machte er also die Urlauberinnen klar.
    »Was tust du eigentlich im Winter?«, fragte sie, um die Intimität zwischen ihnen aufzubrechen.
    Jans Hand rutschte an ihrem Arm hinab und sank auf die Bank. Erschöpft schloss er die Augen.
    »Sag mal, heißt es nicht von Frauen immer, sie seien romantisch? Du bist ja wohl echt das lebende Gegenbeispiel!«
    »Romantik ist Kitsch«, erklärte sie kategorisch. »Das ist so altmodisch wie deine komischen Karren.«
    »Aha«, machte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Und was machst du nun im Winter?«, wiederholte sie ihre Frage.
    »In den Knast gehen.«
    »Wie bitte?«
    »Das ist eigentlich unsere Standardantwort. Sönkes und meine«, erklärte er. »Weil wir nämlich den Nächsten, der uns diese Frage stellt, umbringen.«
    »Ist doch eine ganz normale Frage«, verteidigte Jo sich. »Ich meine, im Sommer ist hier jede Menge los. Da kann sich auchder gemeine Festländer vorstellen, was ihr Insulaner macht. Aber im Winter … Da ist doch bestimmt Totentanz, oder?«
    »Das ist hier nicht Disneyland, Josefine.«
    Irgendwie war an diesem Abend aber auch wirklich der Wurm drin. Worüber sie auch immer sprachen – sie kamen auf keinen gemeinsamen Nenner. Und jetzt ärgerte sie sich, dass er erstens Josefine zu ihr sagte und sie zweitens behandelte, als wäre sie ein dummes Kind.
    »Das sage ich ja auch gar nicht«, gab sie gereizt zurück.
    »Was machst du denn im Winter?«
    »In Hamburg spielen die Jahreszeiten keine Rolle. Da ist immer was los. Und meiner Arbeit ist es sowieso egal, ob Sommer oder Winter ist.«
    »Siehst du«, sagte er und klang schon wieder versöhnlich, »das ist hier nicht anders. Im Winter sind im Hotel Arbeiten zu erledigen, für die im Sommer keine Zeit ist. Die Zimmer müssen renoviert werden, das Restaurant muss gestrichen werden. Irgendetwas ist immer. Und wenn Zeit übrig ist, bin ich unterwegs, um mir Badekarren anzugucken, die zum Verkauf stehen. Oder ich baue die Wagen weiter um. Langweilig ist es nie.«
    Sie leerten schweigend die Gläser.
    »Tja«, sagte Jo schließlich, »ich will dann mal langsam aufbrechen. Ich habe morgen früh gleich einen Massagetermin.« Verflixt, schon wieder so eine ausgesprochen dämliche Lüge. Er arbeitete im Hotel und konnte ihrer Ausrede, mit der sie diesen Abend beenden wollte, ziemlich leicht auf die Schliche kommen. »Nicht im Hotel«, fügte sie darum rasch hinzu. »Im Ort, äh, also außerhalb … des Hotels.« Sie hätte sich an die Stirn schlagen mögen. Was war bloß los mit ihr?
    »Ich bringe dich noch ein Stück.« Jan zog sein Portemonnaie aus der

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