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Duenenmond

Duenenmond

Titel: Duenenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Johannson
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Hotel zurück, um in Ruhe zu duschen und sich einzucremen. Zwischendurch lief sie mehrmals zum Fenster und blickte auf den Strand hinaus, um nach einem kleinen Eiswagen Ausschau zu halten. Sie freute sich auf Jan. Tatsächlich entdeckte sie ihn, als sie gerade, ein Handtuch als Turban um die Haare gedreht, durch ihr Zimmer huschte. Er hatte offenbar schon seine Kunden an diesem Strandabschnitt versorgt und schob gerade weiter zum nächsten Abschnitt.
    Jo schlüpfte in knappe Spitzenunterwäsche. Entweder war er ein raffinierter Bursche, einer, der von Gefühlen und Romantik sprach und doch nur eins im Sinn hatte, oder er war wirklich einer von der schüchternen Sorte, der noch nicht viele Erfahrungen mit Frauen hatte. Dann war er allerdings ein Naturtalent. So oder so, seit der letzten Nacht hatte Jo Schmetterlinge im Bauch, die sie nicht so schnell wieder abschwirren lassen wollte. Sie band ihren Wickelrock um und schlüpfte in ein luftiges Seiden-Top. Warum sollte sie nicht endlich mal wieder eine Affäre haben, sich auf einen Mann einlassen, wenn es auch nur für zwei Wochen war? Es gab niemanden, dem sie Rechenschaft schuldig gewesen wäre. Von Tom hatte sie sich vor knapp einem Jahr getrennt. Zweieinhalb Jahre waren sie ein Paar gewesen, hatten wirklich jede Menge Spaß miteinander gehabt. Doch als dann ihr Vater erkrankte und schließlich starb, hatte Tom sich nicht gerade als zuverlässiger Partner erwiesen. Nur einmal hatte er sie ins Krankenhaus begleitet. Auch während der letzten Tage von Otto Niemann, die er zu Hause im zum Krankenzimmer umgerüsteten Esszimmer verbrachte, hatte Tom sich kaum blicken lassenund vorgeschoben, dass die Familie doch gewiss unter sich bleiben wolle.
    »Du gehörst doch zur Familie«, hatte Jo zu ihm gesagt. Also kam er einmal – ihr zuliebe. Anschließend jammerte er, er könne den eigentümlichen Geruch nicht ertragen. Zur Beerdigung war er zwar an ihrer Seite gewesen, aber als er sie dann gefragt hatte, wie lange die Veranstaltung noch dauern würde, war es gewesen, als hätte er in Jo eine Tür zugeschlagen. Das war der Anfang vom Ende ihrer Beziehung gewesen. Einige Tage später hatte er ihr auch noch vorgehalten, es müsse mit der Trauer irgendwann einmal wieder gut sein. Jo war fassungslos gewesen.
    »Ich verstehe dich nicht«, hatte er gereizt gesagt. »Du hast so oft über deinen Vater geschimpft. Und jetzt hängst du hier rum wie ein Trauerkloß.«
    »Man kann doch jemanden trotzdem lieben, obwohl man über ihn schimpft«, hatte sie erwidert und mit den Tränen gekämpft. »Ich vermisse ihn einfach.«
    Was folgte, war ein hässlicher Streit, in dem Jo begriff, wie wenig er sie je verstanden hatte und wie wenig ihm das bedeutete. Also hatte sie ihn zum Teufel geschickt.
    Trotz der Wut und Enttäuschung hatte es eine geraume Zeit gedauert, bis sie über die Trennung hinweg war. Sie stopfte Unmengen von Gummibärchen in sich hinein, arbeitete noch mehr als vorher und verbrachte ihre Abende meist vor dem Fernseher, wo sie sich von Actionfilmen mit möglichst vielen Schießereien und Verfolgungsjagden berieseln ließ. Diesen Zustand hielt sie ein knappes halbes Jahr aus, dann blieb der Bildschirm immer öfter dunkel, und sie hatte wieder zu lesen begonnen.Es war bereits halb sieben, als Jo das Hotel verließ. Sie wollte auf keinen Fall zu früh bei Jan auftauchen. Die drückende Wärme schlug ihr wie ein nasser Lappen entgegen, als sie das klimatisierte Foyer hinter sich ließ. Kaum dass sie die Terrasse überquert hatte und die Stufen hinabgeschlendert war, stand ihr schon der Schweiß auf der Stirn. Sie gab ihrer mühevoll geföhnten Frisur noch ungefähr sechzig Sekunden, bis sie sich in klebende Strähnen mit einer großen Portion Eigensinn verwandeln würde. Sei’s drum. Niemand sah in dieser Waschküchen-Luft besser aus.
    Jo ging die Dorfstraße entlang, die ihr nun schon so vertraut erschien. Dabei hatte sie sie vor wenigen Tagen erst zum ersten Mal gesehen. Sie bog links in den Weg ein und kam an der Stelle vorbei, an der er ihr gestern so vielversprechend in die Schulter gebissen hatte. Allein die Erinnerung gab ihr ein Gefühl, das sie sonst nur hatte, wenn sie in einer Achterbahn gerade vom höchsten Punkt in die Tiefe rauschte. Sie freute sich auf eine Fortsetzung, während sie zwischen Hotels und einem Restaurant entlangspazierte. Ein Gebäude zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Es war rot gestrichen, hatte in der Mitte eine schräg angesetzte Fensterfront,

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