Duenenmord
als sie in der Kita eintrafen. Er schloss die Bürotür mit einem energischen Ruck, nachdem er ein Bitte-nicht-stören-Schild aufgehängt hatte.
»Sagen wir ab 1995.«
»Ist das Ihr Ernst?«
»Meine Chefin ist ziemlich pingelig, und sie will immer alles vollständig vorliegen haben.«
»Aha. Nun gut. Wir sind ein gut sortierter Laden.«
»Dachte ich mir.«
Eine Viertelstunde später drückte Mickel Kasper einen Ordner mit Fotos und Zeitungsausschnitten sowie alten Betreuungsverträgen und Mitarbeiterlisten in die Hand und speicherte aktuelle Daten auf einem Stick. Kasper stand schon an der Tür, als der Kitaleiter ihn noch einmal ansprach. »Und Sie können mir wirklich nicht sagen, wen Sie verdächtigen? Sie dürfen nicht mal eine Andeutung machen?«
Kasper drehte sich um. »Nein, im Augenblick nicht.«
»Und wie soll ich die Kinder schützen?«
Gute Frage. Sie machte den Mann sympathisch. »Machen Sie sich keine Sorgen.« Was Besseres fiel ihm gerade nicht ein, aber Mickel wirkte beruhigt.
Kasper fuhr ohne Anmeldung in die Clement-Kita, in der Monika Sänger von 1978 bis 1990 beschäftigt gewesen war, bevor es sie für einige Jahre nach Kiel verschlagen hatte. Helga Lind, eine langjährige Erzieherin, war früher mit seiner Frau befreundet gewesen. Sie waren sich zum letzten Mal vor zwei Jahren zufällig beim Mittsommerfest in Bergen begegnet und hatten ein paar Gläser zusammen getrunken. Kasper hoffte, dass Helga ihn möglichst auf den ersten Blick wiedererkannte und ihm darüber hinaus ein paar erhellende Hinweise zu Monika geben konnte.
Helgas Kindergruppe baute gerade mit lautem Getöse einen Schneemann, als Kasper eintraf. Er erkannte sie auf Anhieb wieder – blonde Locken, helle Stimme, rote Wangen. Ein wenig rund war sie geworden, was ihr zwar ausgesprochen gut stand, aber Kasper schätzte, dass er mit einer derartigen Anmerkung als Gesprächseinleitung nicht gerade punkten würde. Frauen wollten niemals hören, dass sie Gewicht zugelegt hatten, auch wenn sie dabei gut aussahen. Stattdessenlächelten sie versonnen, wenn man bemerkte, dass sie deutlich abgenommen hätten, aber nicht gut aussähen … Kasper schüttelte den Kopf und winkte Helga zu, als die gerade zu ihm herüberblickte. Sie stutzte, dann winkte sie lebhaft zurück und trat an die Umzäunung. »Kasper? Kasper Schneider? Was machst du denn hier?«
»Genau der. Schön, dich zu sehen.« Er gab ihr die Hand. »Hast du ein paar Minuten Zeit?«
»Bist du etwa dienstlich hier?«
»Leider.«
Helga lächelte. »Du kannst ja richtig charmant sein. Na, komm rein, die Kinder brauchen noch eine Weile, und ich muss mich ohnehin erst mal aufwärmen.«
Sie setzten sich in den Pausenraum der Erzieherinnen. Kasper konnte keinen Kaffee mehr sehen und trank einen Tee, während Helga sich einen Instant-Cappuccino aufgoss. Natürlich war sie über Monikas Tod informiert. »Was für eine fürchterliche Geschichte!«, bekräftigte sie. »Ermittelst du in dem Fall?«
»Ja, und ich hoffe, du kannst mir ein paar Fragen zu ihr beantworten. Ihr müsstet ungefähr ein Jahrgang sein, wenn mich nicht alles täuscht, und habt einige Jahre zusammengearbeitet.«
»Stimmt. Ich trat meine Stelle hier ein, zwei Jahre nach ihr an, war aber zwischen, warte mal, ja 88 und Ende 91 in Stralsund beschäftigt. Als ich zurückkam, war sie nicht mehr hier.«
»Wie war sie als Erzieherin?«
Helga zuckte mit den Achseln. »Na ja, wir waren ja seinerzeit mit unserer alten DDR-Pädagogik klar festgelegt, das muss ich dir kaum erläutern. Monika war … gut, erfolgreich, interessiert, etwas zu leisten und dabei durchaus hervorzustechen. Sie hatte interessante Ideen. Ihre Gruppen funktionierten immer prima …«
»Aber?«
Helga pustete in den Milchschaum und überlegte einen Moment. »Wir waren nicht befreundet. Sie war mir oft zu engagiert, übereifrig, und das meine ich nicht politisch«, erläuterte sie. »Sie hat die Kinder manchmal ganz schön getriezt. Es musste alles perfekt funktionieren.«
»Und wie reagierte sie, wenn es nicht perfekt war?«
»Sie wurde wütend.« Helga schüttelte den Kopf. »Und zwar von Null auf Hundert. Aber das ist doch jetzt alles ganz fürchterlich unwichtig, nach dem, was passiert ist.«
»Ist es nicht.«
Sie neigte den Kopf zur Seite. »Wie meinst du das, Herr Kommissar?«
»Wir ermitteln im Zusammenhang mit dem Mord in einer sehr hässlichen Geschichte. Mehr darf ich dir nicht sagen, nicht im Augenblick jedenfalls«, betonte
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