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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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mir
Paris, Texas.“
    „Und was davon wird
unsere
Szene?“ Dr. Mickl stellt die Frage mit unbewegter Miene.
    „Ich denke, den Höhepunkt stellt die Aussprache zwischen Nonne und Oberin dar. Der Augenblick, als die Jüngere zu zweifeln beziehungsweise zu verzweifeln beginnt.“
    „Aber vielleicht können wir auch noch die Oberin und den Seemann aufeinandertreffen lassen. Dem männlichen Prinzip eine Stimme geben, sozusagen. Einverstanden?“
    „Von mir aus, warum nicht.“
    „Schön“, lächelt Dr. Mickl. „Dann fehlt eigentlich nur noch die Besetzung. Wen möchten Sie für diese Rollen auswählen?“
    Hagen besetzt Gerda, die auf ihn vom ersten Augenblick an einen herben Eindruck gemacht hat, für die Rolle der Schwester Oberin. Rosi darf die arme Nonne geben.
    „Und der Seemann? Wo bleibt der Seemann?“ Prader hat die Hände entspannt in den Nacken gelegt. „Spielst du den selbst?“ Er blinzelt Hagen neckisch zu.
    „Nein, ich würde vorschlagen, dass du das übernimmst. Wo du doch den Film schon so oft gesehen hast.“
    Hagen staunt, wie ohne jegliche Requisiten innerhalb weniger Minuten eine ungemein dichte Stimmung entsteht. Alle Akteure leben sich in die nur skizzierten Rollen hinein wie Profis.
    „Und?“, fragt ihn die Therapeutin nach einer Weile, „stimmt es so für Sie, oder müssen wir etwas ändern?“
    „Nein, nein, es passt alles. Bestens!“
    Prader überzeugt am meisten. Wie er den Seemann verkörpert, zeigt, dass er es gewohnt ist, auf einer Bühne zu agieren und zu improvisieren. Aber Dr. Mickl möchte, dass gerade diese Szene noch einmal gespielt wird, diesmal mit Hagen in der Rolle des Seemanns.
    „Wozu?“, wehrt er ab, „besser als mit Ernst und Gerda geht es doch gar nicht!“
    „Tun Sie mir den Gefallen, bitte, probieren Sie es aus. Kleine Variationen bewirken oft große Veränderungen“
    Wenn es denn sein muss! Es ist das erste Mal in seinem Leben, dass Hagen Theater spielt. Oder das, was er dafür hält. Er kann ja nicht wissen, dass er längst durchschaut wurde und ihm sein Bluff jetzt mit gleicher Münze heimgezahlt wird.
    Er versucht, sich an Praders Vorgabe anzulehnen, was natürlich unmöglich ist. „Wieso haben Sie sie weggebracht, ohne dass ich sie noch einmal sehen konnte?“, fragt er Oberin Gerda mit wild fuchtelnden Armen, aber mit viel zu sanfter Stimme, viel zu wenig aufgebracht. Wenn ihm ein Verdächtiger damit bei der Einvernahme käme, er würde sofort darauf anspringen. Genau das tut die Therapeutin auch.
    „Stimmt das so für Sie?“, hakt sie nach. „Was spüren Sie, Anton, wenn Sie so nett mit Ihrer größten Widersacherin reden? Mit der Frau, die Ihnen das Liebste geraubt hat?“
    Er schüttelt den Kopf und probiert es noch einmal, lauter diesmal und schärfer im Tonfall. Was dabei herauskommt, ist ein zaghaftes Piepsen. Ihm wird übel, speiübel, als hätte er eine Unmenge fetten Fleisches hinuntergeschlungen. Ein echter Montafoner Nussschnaps, das wäre jetzt vielleicht die Rettung, Gfaders kleine Mitgift für die Kur. Die langhalsige Flasche, die ihm sein Stellvertreter in der Gruppe Leib / Leben heimlich beim Abschied zugesteckt hat,
für alle Fälle
, und die er im Schmutzwäschesack auf seinem Zimmer versteckt hält, bis dato ungeöffnet. Wie auch immer: Die Rettung ist fern und Dr. Mickl nah, und noch zwei weitere Versuche verlangt sie ihm ab, die die Inszenierung um keinen Deut verbessern, nur Hagens Leiden verlängern. Er schnauft tief durch, als er endlich auf seinen Sitzpolster zurückkehren darf. Und mit Sicherheit hat er dabei einen roten Schädel; so, wie seine Birne sich anfühlt.
    Der Reihe nach erzählen die Protagonisten nun von ihren Empfindungen: Wie sie es genossen haben, als Schwester Oberin Macht ausüben zu können, anstatt, wie im wirklichen Leben, die Sklavin im Familienverband zu sein; oder wie sie gelitten haben als die Betrogene, manipuliert von einer höheren Macht, gegen die sich aufzubäumen undenkbar erschien. Die Mutter?, wird nachgefragt. Nein, der Vater, dessen schlechten Atem Rosi wieder gespürt, dessen Schweiß sie wieder gerochen hat, als Gerda sich vor ihr aufbaute – der Vater stand vor ihr, eine Institution wie vor fünfzehn Jahren: Gesetz und Missbrauch des Gesetzes in einer Person.
    Prader erzählt, dass er der Schwester Oberin am liebsten eine geknallt hätte, als sie so offensichtlich log. Aber das sei natürlich nicht in Frage gekommen. Und wieso nicht?
    „Die Erfolgsgeschichte unserer Kultur! In

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