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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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zurückgezogen, wie man so schön sagt, das Bett war nicht schwer zu finden, in das ich ihn legte. Ich drehte ihm den Fernseher auf, der noch nicht mal flach war, und stellte ihm eine Pulle Schnaps neben das Bett, die wenigstens voll war. Schnaps war das Einzige, was bei so einer Erkältung wirklich half, und als erwünschte Nebenwirkung heilte er auch den Schmerz, der vom Herzen ausging.
    Dann zog ich ihn bis auf die Unterhose aus, was keine leichte Übung war, ich sah seine Socken, sein Unterhemd, seine weiße Haut mit den blauen Krampfadern, das Fett, die Haare überall, und ich dachte:
    Du meine Güte! Der Mensch!
    Und ich dachte daran, dass die wenigsten heutzutage von einem schnellen und überraschenden Tod gefällt werden, wie es der Wunsch von jedem ist – du freust dich auf dein Bier, holst es aus dem Kühlschrank, nimmst den Öffner, es macht zisch, und schon spielst du deine Harfe ein paar Stockwerke weiter oben. Nein, so war es heute nicht mehr.
    Aber wenn Gutti jetzt sterben würde, dann würde er wenigstens in meinen Armen sterben, denn er ließ mich gar nicht mehr los.
    ***
    Wann war ich zuletzt in der Schule?
    Das ist lange her!
    Und war ich je glücklich in der Schule?
    Ja! Als ich das letzte Mal dort rausging!
    Mein Zugang zum Lernen war ein sehr einfacher – nicht in der Schule lernst du, sondern im Leben! Das mit den Lehrern und mir funktionierte einfach nicht. Zwar konnte ich ein paar Landeshauptstädte auswendig aufsagen und wusste ungefähr, wo der Prater lag. Aber schon die Bundeshymne konnte ich nicht mehr fehlerfrei singen, und jetzt rede ich nur von diesem einen kleinen Teil des Lernens!
    Was ich können musste, das lernte ich schließlich von Dirty Willi. In der Schule zeigt einem ja niemand, welches Knöpfchen man an einer Frau drehen muss, damit sie brummt wie ein Trafo, und niemand bringt einem bei, wie man einen Sucker Punch abwehrt.
    So viel dazu.
    Nachdem die liebe Familie von Hagen-Nyilasi beinahe vollständig dezimiert worden war, blieb mir nur noch das nähere Umfeld der jungen Lady, in dem ich die Gründe für ihr Verschwinden erforschen und nach einer Spur suchen konnte, die vielleicht zu ihrem Mörder führte.
    Bevor ich also die Abzweigung nach Hause nahm, wollte ich noch kurz in ihrer Schule vorbeischauen, sie lag gleich im Nachbarbezirk von Guttmanns Wohnung, so nah konnten Gemeindebau-Elend und katholisches Privatschulenglück beisammen liegen. Oder war es katholisches Privatschulenelend, und Guttmann war der Glückliche, trotz seines beschissenen Lebens?
    Das war schwer zu sagen.
    Der Bau hieß Lycée der Schwestern der Kleinen Terèse von Irgendwo, ein katholisches Mädchengymnasium mit Ganztagesbetreuung. Stand da jedenfalls an der Tafel neben der wuchtigen Einfahrt in den dicken Mauern, die uns Unwissende und Bedürftige von denen da drinnen trennten.
    So eine Mädchenschule war jetzt genau das Richtige für mich, nachdem ich Guttmann fast nackt gesehen hatte. Ich spürte endlich wieder eine Neugierde, die ich lange nicht mehr gespürt hatte, und eine gewisse Lust, den jungen Mädchen etwas beizubringen.
    Der breite Weg hin zum Eingang der Schule war wie alle Wege zu diesen reichen Häusern picobello vom Schnee geräumt, ich vermisste aber den Schulwart, den man mit Schneebällen bewerfen konnte. An den zumindest erinnerte ich mich noch.
    Als ich eintrat, roch es nach Schweiß, aber nicht nach Fußballkabinen- oder Pornokinoschweiß, sondern nach Mädchenschweiß! Und irgendwo da musste es einen strengen Chef mit Rohrstab geben, an den konnte ich mich auch noch erinnern, also fragte ich eine, die ihre Bücher vor der Brust hielt, was ich ihr übel nahm, nach ihm, und sie sagte: „Meinen Sie unsere Schwester Direktorin? Die ist dort den Gang hinunter.“
    Ich fragte: „Bis ganz hinunter?“
    „Ja.“
    Genau das wollte ich hören, denn der Gang war lang, und es war gerade Pause. Die Backfische liefen unruhig auf und ab, blieben vor mir stehen, tuschelten, schauten mich an wie die Geier ein Stück Aas. Ich spürte und roch diese Sehnsucht in ihnen, aber nicht nach Gott, sondern nach mir und nach allem, was ich zu bieten hatte. Das war nicht viel, aber scheinbar mehr als Gott.
    Plötzlich tippte mir eine auf die Schulter und sagte: „Ich bringe Sie hin.“
    Es war eine junge Nonne, die Bombe aussah, auf ihrem Schild stand Sr. Mechthild, und sie war göttlicher als Gott. So etwas Scharfes fand sich nicht mal in Jolandas scharfer Bohnensuppe. Wieso zur Hölle kam so

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