Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch
ist nur passiert, weil dieses Viech mich angesprungen hat«, sagte er leise. »Ich kann Katzen nicht ausstehen. Überhaupt nicht. Ich habe eine regelrechte Abneigung gegen die Viecher.«
Pia unterdrückte ein Grinsen. »Das arme Tier hatte genauso viel Angst vor dir wie du vor ihm. Es war vielleicht tagelang mit der Leiche dort eingesperrt. Kein Wunder, dass es explodiert ist.«
»Diese Katze ist alles, aber kein armes Tier!«, erwiderte er. »Außerdem war da eine Katzenklappe. Das Vieh hätte jederzeit abhauen können.«
»Ich werde jetzt mal rüber zu den Kollegen gehen. Vielleicht brauchen die meine Hilfe«, sagte Pia.
»Du lässt mich hier schwer verletzt allein?«
»Bleib einfach, wo du bist, und halt den Kopf ruhig.«
»Ich muss auch noch ein paar Leute informieren«, besann er sich auf seine alte Rolle.
Auf dem Weg hinüber zur Kate dachte Pia, dass das Schicksal gerade für einen gewissen Ausgleich gesorgt hatte. Gleichzeitig irritierte sie die ungewohnte Nähe, die der Vorfall ihnen aufgezwungen hatte. Das lag bestimmt nur daran, dass sie gerade eine Leiche gefunden hatte. Sie stand unter Schock – gewissermaßen. Broders mit seiner stets so erfrischenden Sichtweise würde wahrscheinlich überschüssige weibliche Hormone oder so diagnostizieren. Der nochmalige Anblick von Mona Falkes Leiche würde sie schon wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
»Ein weiterer Leichenfund im Fall André Falke. Das wirft die gesamte Planung durcheinander.« Pia saß am Steuer, als sie zurück nach Lübeck fuhren. »Gabler wird vor Begeisterung jodeln.« Es warf auch ihren Zeitplan über den Haufen. Sie hatte Fiona anrufen und ihr sagen müssen, dass sie später kommen würde. Glücklicherweise passte es der Tagesmutter heute. Pia konnte nicht erwarten, dass sich alles nur um ihre Bedürfnisse drehte.
»Ich hätte nie gedacht, dass einem in so einem kleinen Dorf die Leichen geradezu vor die Füße fallen. Die Leute scheinen ja regelrecht im Blutrausch zu sein.« Lessing sah sie nachdenklich an. »Liegt das an euren Wikinger-Genen?«
»Bestimmt. Hältst du eine Verbindung zwischen unseren Morden hier und Fjodor Markows Geschäften immer noch für wahrscheinlich?«
»Das steht nicht zur Diskussion.«
»Das habe ich schon ein paar Mal gehört. So oder so ähnlich.«
»Das liegt unter anderem daran, dass sich unsere Ermittlungen noch in der verdeckten Phase befinden. Wenn die Möglichkeit besteht, mehr Informationen zu teilen, wirst du es schon erfahren.«
»Das ist dann die offene Phase.«
»Genau.«
Dann eben nicht. Pia warf einen Blick auf die Uhr. »Soll ich dich bei einem Arzt vorbeifahren? Noch haben die Praxen auf, und du musst nicht in irgendeiner Notaufnahme rumsitzen.«
»Nein, danke. Nicht wegen eines Kratzers. Fahr mich gleich ins Hotel.«
»Es ist ja dein Kopf.« Pia bog in die Moislinger Allee. Um diese Uhrzeit ging es hier nur langsam voran.
»Wie bekommst du das eigentlich auf die Reihe mit deinem Kind, wenn zum Beispiel plötzlich Wochenendarbeit anfällt?«, fragte Lessing, als sie wieder vor einer Ampel anhielten.
»Alles eine Frage der Organisation.« Pia kniff die Augen zusammen und sagte dann nachdenklich: »Aber es ist schwieriger, als ich dachte. Ich kann mich nicht zweiteilen, das ist das eigentliche Problem.«
»Und was meint der Vater dazu?«
»Hast du außer vor Katzen und Ärzten noch andere Phobien?«
»Schon gut«, sagte Lessing. »Da vorn musst du abbiegen, da ist mein Hotel.«
Am Samstagmorgen war Felix um halb fünf Uhr wach und wollte danach nicht wieder einschlafen. Pia, die erst weit nach Mitternacht ins Bett gekommen war, wankte müde durch ihre Wohnung und versuchte, ihr Kind bei Laune zu halten, damit es nicht das ganze Haus zusammenbrüllte. Letzten Endes half nur, Felix durch die Wohnung zu tragen und ihm dabei etwas vorzusummen. Gegen Viertel vor sieben, als es tatsächlich Zeit zum Aufstehen war, schlief er in ihrem Arm ein. Es gelang Pia, ihn in ihrem Bett abzulegen, um duschen zu gehen. Das heiße Wasser, das sie lange über Kopf und Nacken laufen ließ, versetzte sie in einen gebrauchsfähigen Zustand. Sie musste sich beeilen. Die gestern noch kurzfristig angesetzte Frühbesprechung sollte um acht Uhr anfangen. Da Fiona als Tagesmutter am Wochenende nicht zur Verfügung stand und ihre eigene Mutter mit Freundinnen einen Kurzurlaub auf Amrum machte, hatte Pia am Vorabend ihren Bruder angerufen. Ihr Verhältnis zu ihm und ihrer Schwägerin Marlene war
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