Düstere Schatten (Darian & Victoria #2) (German Edition)
demnächst aufbrechen. Die Sonne geht bald auf. Wenn wir uns beeilen, können wir noch bei Tageslicht die nächste Grenze passieren.«
Ernüchternde Wahrheit
Sofia
»Glaubst du immer noch daran, dass dein Ritter hier erscheinen wird?« Eine weitere Stunde war vergangen, ohne dass wir von den anderen oder von Balthasar gehört hatten. Ich bangte immer mehr um meine geliebte Tochter. Und die nervöse Astralprojektion machte diesen Zustand nicht besser. Als sie mit ihrer penetranten Art wieder einmal versuchte, sich selbst von ihrer Rettung durch Balthasar zu überzeugen, bat ich Henry um Hilfe. Er war Herr über den Wind und konnte die Astralprojektion zumindest für einige Minuten auf Abstand halten. Doch noch ehe er sein Element rufen konnte, keuchte Selena auf.
Sie schrie wie eine Verrückte und schien gegen etwas Unsichtbares zu kämpfen. Ihre Worte waren undeutlich und ich musste meine telepathische Gabe einsetzen, um sie überhaupt zu verstehen. Auch in ihrem Geist setzte sich dieser Zustand fort. Diese Selena war eine andere Person. Eine einsame Person, die wie Rapunzel in ihrem Turm auf ihren Prinzen wartete. Aber dieser kam nicht. Sie alterte und alterte, doch der Retter war immer noch nicht erschienen. Weiße Krieger kamen wie aus dem Nichts und griffen den Turm an. Die verlorene Rapunzel darin versuchte vergeblich, sich zu verteidigen und hoffte weiterhin auf ihre Rettung. Es folgte das tragische Ende unserer modernen Rapunzel Selena.
Es war ein Traum. Ein Traum, den ihr Körper träumte und an die Projektion weiterzuleiten vermochte. Ich grübelte lange Zeit darüber, welch mächtige Art von Traum dies bewerkstelligen könnte. Und allmählich formte sich die Antwort. Prompt spürte ich meine Gabe, die Wahrheit zu erkennen, und sie bestätigte mir den Gedanken. Selenas Körper musste auf der Dritten Ebene sein und einem Bann der Geister unterliegen. Gerüchten zufolge waren die Individuen der Geisterebene in der Lage, Ängste zu erkennen und die Opfer damit zu konfrontieren. Unserer Schwarze Witwe mussten meine Worte scheinbar sehr nahe gegangen sein.
Hatten die anderen den Trug erkannt? Wussten sie, dass man sich der Angst stellen musste? Mir blieb nur die Hoffnung, dass jene Gerüchte ebenso dem alten Elf zu Ohren gekommen waren und er die anderen am Einschlafen hindern konnte. Ich betete zu unserem Gott, dass sich unsere Verbündeten nicht in ihren Ängsten verlieren würden.
Aber das Positive an der psychischen Attacke auf Selena war, dass wir alle Sicherheit hatten. Sicherheit darüber, dass die Unsrigen die Dämonenebene hinter sich gelassen und die Grenze überschritten hatten.
Erschöpfung
Elric
»Jetzt überlass sie doch mir! Ich sehe, dass es dich anstrengt.« Ich zerrte vergeblich an dem ballonartigen Ding, das Selena verpackte.
»Du hast aber keine Macht über die Luft«, antwortete mir Sina knapp. Sie sah wirklich sehr müde aus. Ihr Gesicht war eingefallen und kreidebleich. Wir waren seit der Morgendämmerung unterwegs und sie musste ihre Fähigkeit, die in den Ebenen sowieso eingeschränkt war, beinahe immer aktiviert halten, um Selena mitzunehmen.
Für kurze Zeit hatte Miros Selena getragen. Er hatte sich aber nicht mehr voll und ganz auf die Führung konzentrieren können, also hatte Sina ihm Selena wieder abgenommen. Nun wollte auch ich meinen Teil dazu beitragen. Sina schüttelte noch eine weitere Stunde ihren süßen Kopf. Eine Stunde, in der sie immer mehr ihrer Kraft dazu benötigte, Selena auf gleicher Höhe schweben zu lassen. Sicherlich hatte sie sich in der Nacht ebenso wenig ausgeruht wie die anderen.
Albträume. Als ob das etwas Neues wäre. Ich konnte den ganzen Tumult vor den Zelten nicht verstehen. Ich sah sie Nacht für Nacht. Die verführerische Anziehungskraft der Dunkelheit. Jede Nacht hatte sie eine ganze Unterhaltungsshow vollzogen, um mich auf ihre Seite zu ziehen. Ich blieb standhaft. Danach durfte ich Nacht für Nacht die Macht der Wut kosten. Ich sah, welch enorme Kraft sie meinen Fähigkeiten zusätzlich verleihen könnte. Meine Flammen konnten mit einem Mal ganze Städte niederbrennen, meine Macht über das Wasser ließ meterhohe Wellen entstehen, die alles ausradierten, was sich ihnen in den Weg stellte. Egal ob Wälder oder ganze Siedlungen, Mensch oder Tier. Die Wut gab mir Macht über Leben und Tod. Aber daran war ich nicht interessiert.
Bis vor kurzem wollte ich nur eines: meine Eltern
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