Düstere Schatten (Darian & Victoria #2) (German Edition)
Körnchen durch meine Lebensuhr rannen. Ich vernahm einen starken Windzug, ehe ich das Bewusstsein ganz verlor.
Erkenntnisse
Elric
Sie wollte aufgeben! Das konnte ich nicht zulassen. Sie wollte sich über die Gedankenübertragung mit Aurelia von mir verabschieden. Aurelia projizierte alles. Aber ich wollte keine Abschiedsworte hören.
Als ich erfuhr, warum sie in diesem Zustand war, schrie ich beinahe auf. Dann dachte sie an den Ort und mir war klar, was ich zu tun hatte.
Ich rannte wie niemals zuvor in meinem Leben. Ich rannte um ihr Leben, das ich nur zu gerne mit meinen verbinden würde. Ich musste sie retten.
Meine physische Gabe ermöglichte es mir trotz der Abschwächung hier, nahezu in Schallgeschwindigkeit über die Ebene zu rasen. Hier und da konnte ich einen Angriff von einem der Geister spüren. Sie alle waren vergeblich. Meine größte Angst war bereits wahr geworden. Sina zu verlieren hatte eindeutig mehr Gewicht bekommen, als eine Niederlage gegen die Wut zu befürchten.
Atemlos kam ich an der Grenze an. Der Nebel, der sie umhüllte, machte es mir beinahe unmöglich, die Hand vor Augen zu sehen, geschweige denn, ein kleines Trinkhorn. Ich tastete mich vergeblich durch das Weiß. Wut stieg in mir auf. Ärger darüber, dass ich nicht in der Lage war, die rettende Medizin für diejenige zu finden, der ich mein Herz geschenkt hatte. Der Gedanke kam so plötzlich, dass er mich überrumpelte. Ich fand Sina nicht nur liebenswürdig und nett, nein, ich liebte sie!
Mein Herz befreite sich von den Ketten, die ein solches Gefühl bisher unmöglich gemacht hatten. Es schlug schneller und schneller, pumpte eine Welle des Glücks durch meinen Körper, die die Wut zum Erlöschen brachte.
Das Gefühl der wahren Liebe klärte meine Sinne und verhalf mir zu der Lösung. Binnen Sekunden brannte ein riesiges Feuer parallel zu der Wand aus Nebel und ließ die winzigen Tröpfchen verpuffen. Die Gegend klärte sich zunehmend. Da sah ich die Rettung. Das Trinkhorn lag neben einer kleinen Ansammlung aus Steinen, als hätte Sina dort eine kleine Rast gemacht und vergessen, es wieder mitzunehmen. Ich griff zu, ließ das Feuer erlöschen und rannte zurück, die Stimmen konsequent ignorierend, die mir zuriefen, dass ich zu spät kommen würde, dass ich es nicht schaffen könnte.
Tränen
Victoria
»Hast du gesehen, was er vorhat?«, fragte ich Aurelia. Sie verneinte, gab jedoch eine Vermutung ab: »Er ist schnell. Sehr schnell. Er könnte innerhalb kürzester Zeit zur Grenze gelangen, vielleicht versucht er, das Quellwasser zu finden.«
»Ein aussichtsloses Unterfangen«, brummte Miros. »Hat er den dichten Nebel nicht bemerkt?«
Darian warf Miros einen bösen Blick zu. »Er wird es schaffen«, sagte er immer wieder. »Er wird Sina retten.«
Sinas Puls wurde schwächer und schwächer. Wir konnten keine Gedankenströme mehr von ihr auffangen, so sehr wir uns auch bemühten.
Ich hatte ihren Kopf mittlerweile auf meinen Schoß gelegt und streichelte ihr beinahe hektisch über das Haar. Sie rührte sich nicht. Ich konnte keinerlei Atembewegung mehr erkennen. Darian kniete sich neben mich und legte mir beruhigend die Hand auf die Schulter.
»Sie wird es schaffen«, schluchzte ich. »Sie muss es schaffen. Sie ist ein Teil von mir!« Tränen bahnen sich ihren Weg über meine Wangen, ließen meinen Schmerz sichtbar werden.
Minuten vergingen. Stunden. Tage. Die Ewigkeit.
Die Trauer ebbte nicht ab, die Tränen versiegten nicht. Elric kehrte nicht zurück. Ich wagte es nicht, diese Tatsache laut auszusprechen, als könnte ich so die Wahrheit verhindern, die grausame Tatsache, dass meine beste Freundin sterben würde. Verzweiflung stieg in mir auf, die Wut an ihrer Seite. Ich spürte, wie sie sich herantasteten, lauernd auf diesen einen Moment, in dem ich ihnen Zugang gewähren würde: den Tod Sinas.
Hindernisse
Victoria
»Er kommt!«, brach Darian die Totenstille. »Mein sechster Sinn kann ein nie da gewesenes Hochgefühl in ihm spüren.«
In dem Moment schoss Elric wie eine Kanonenkugel heran. Er kam unmittelbar neben mir zum Stehen, kniete sich sofort neben mich und zog Sinas Trinkhorn aus der Tasche. Blitzschnell öffnete er es und flößte Sina wenige Tropfen davon ein.
Wir warteten. Mit einem imaginären Ticken im Ohr starrte ich wie gebannt auf meine Freundin. Die Sekunden dehnten sich zur Unendlichkeit, das Ticken
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