Duestere Vorzeichen
erreichen die Enklave in voraussichtlich fünf bis zehn Minuten. Bisher haben wir keine Slugs gesichtet. Ich denke, wir kommen ohne Zwischenfälle bei euch an.«
Vincent wollte bereits wieder ins Funkgerät schreien, aber ein Seitenblick auf Hassan, der den Kopf schüttelte und ganz den Eindruck machte, als ob er nicht so recht wusste, ob er schmunzeln oder lieber ernst bleiben wollte, brachte ihn zur Besinnung und er fuhr in ruhigerem Ton fort: »Sie wollen Slugs sehen? Dann kommen Sie besser schnell hierher. Wir kriegen gleich Besuch, und wenn Sie sich nicht sehr beeilen, dann stehen Sie leider auf der falschen Seite unserer Barrikade.«
Schweigen auf der anderen Seite der Funkverbindung; dann zögerlich: »Der Angriff auf das Startdeck?«
»Ist schiefgegangen. Wetherby ist auf dem Rückzug und eine Slug-Meute klebt an seinen Fersen.«
»Wir beeilen uns«, gab Coltor zurück.
»Wäre auch besser, Major. Apropos, wo waren Sie eigentlich?«
»Auf der Brücke.«
»Wie bitte? Sie waren wo?« Vincent traute seinen Ohren nicht, als der Major ihm diese Erklärung anbot, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt.
»Es war wichtig.«
Diese Entschuldigung war zu lapidar, als dass Vincent sie einfach so hätte akzeptieren können. Es fehlte nur noch ein kleines bisschen und er würde heute doch noch explodieren.
»Hatte ich nicht ausdrücklich befohlen …«, setzte er an, aber Coltor schnitt ihm das Wort ab.
»Ja, haben Sie, aber es war wichtig.« Wieder eine kurze Pause. »Wir haben einen Spion in unserer Mitte.«
Vincent setzte das Funkgerät ab. Hassan sah sofort auf. Keiner der beiden wirkte bei dieser Ankündigung besonders überrascht. Es deckte sich sogar mit den Gedankengängen beider Offiziere. Nur war in den letzten Tagen alles so drunter und drüber gegangen, dass noch keiner mit dem jeweils anderen darüber gesprochen, geschweige denn Pläne zur Aufdeckung des Kollaborateurs entwickelt hatte.
»Und?«, fragte Vincent vorsichtig weiter.
»Und ich habe die Information, die den Verräter identifiziert. So einfach ist das. Und diese Information war nur auf der Brücke zu besorgen.«
»Und es wäre natürlich zu viel gewesen, mich über ihre kleine Exkursion und deren Zweck zu informieren!« Vincent versuchte, nicht allzu viel Sarkasmus in seine Stimme zu legen. Ohne Erfolg.
»Es war keine Zeit und wir konnten nie in Ruhe unter vier Augen sprechen. Ich entschuldige mich dafür, aber es ging einfach nicht anders.«
»Ich verstehe. Ich nehme Ihre Entschuldigung an.«
»Wir sind kurz vor der Enklave, Captain. Ich kann schon die Barrikade sehen. Wir sprechen uns gleich. Coltor Ende.«
Vincent schaltete das Funkgerät ab und warf Hassan einen undeutbaren Blick zu. Etwas zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Sein XO erwiderte den Blick mit einem Anflug von Mitgefühl. Vincent stand unter gewaltigem Druck und nun war die Befürchtung eines Spions an Bord auch noch bittere Realität geworden.
Das Schweigen dauerte mehrere Minuten. Bis Vincent auffiel, dass etwas fehlte. Etwas, das er seit dem Gespräch mit Coltor nicht mehr gehört hatte. Gejammer.
Wo steckte eigentlich Ivanov auf einmal?
Pjotr wanderte ziellos durch die mit Menschen vollgestopften Gänge der Enklave. Immer wieder musste er Gruppen von Männern und Frauen ausweichen, die stapelweise Waffen zur einen oder anderen Barrikade trugen oder sie unter den Besatzungsmitgliedern verteilten.
In mehreren Räumen erteilten Marines den Mitgliedern der Besatzung, zu deren Aufgaben das Abfeuern einer Waffe eindeutig nicht gehörte, Crashkurse, die ihnen helfen sollten, möglichst lange am Leben zu bleiben.
Pjotr wünschte ihnen Glück. Er selbst fühlte sich wie der allermieseste Feigling im Universum. David hatte ihn gebeten mitzukommen und er hatte abgelehnt. Hatte es abgelehnt, seinen Kameraden beizustehen. Nun brannte die Scham schmerzhaft in seinen Eingeweiden. Ein Gefühl, als müsste er sich jeden Moment übergeben.
Dabei war Pjotr nicht untätig geblieben. Beileibe nicht. Er hatte zuerst Calough bei der Versorgung der Verwundeten geholfen. Und dabei hatte er sich nicht mal schlecht angestellt.
Bis der Arzt einen Marine auf den Operationssaal bekommen hatte, dessen ganzer Brustkorb von Krallen zerfetzt worden war. Selbst für einen Laien wie Pjotr war es offensichtlich, dass der Mann keine Überlebenschance hatte. Aber der irische Arzt kämpfte mit eisernem Willen um das Leben des Mannes. Aber vergebens. Der arme Kerl war unter den Händen des Arztes
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