Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
Körper braucht, um leben zu können!«
»Er hat etwas Gruseliges an sich.«
»Er ist wie ein Vampir«, sagte ich.
Als ich zum ersten Mal von Dr. Murnau gehört hatte, war ich so voller Hoffnung gewesen – und mir selbst ziemlich lächerlich vorgekommen. Dieser Mann hatte Jahre seines Lebens damit verbracht, seinen Beruf zu studieren und auszuüben. Und hier war ich mit meinen alchemistischen Büchern und suchte nach dem Elixier des Lebens.
Aber jetzt, da ich von seinen abwegigen Plänen wusste – Blut zu untersuchen! –, kamen mir die noch fantastischer vor als jeder Foliant mit alten Zaubersprüchen.
Am nächsten Tag würden wir wieder Herrn Polidori besuchen und uns erkundigen, ob er mit der Übersetzung des Alphabets der Magier irgendwie weitergekommen war.
»Ich habe Fortschritte gemacht«, sagte Polidori, als er uns in sein muffiges Empfangszimmer führte.
»Das ist eine großartige Nachricht«, bemerkte Elizabeth.
Wieder waren wir drei mit Vater in die Stadt gefahren und hatten uns dann heimlich in die Wollsteingasse aufgemacht, wo uns Polidori ungeduldig begrüßte.
»Sie sind also in der Lage, das Alphabet zu übersetzen?«, fragte ich.
»Es ist eine verwirrende Angelegenheit«, antwortete er und führte uns zu einem mit Büchern und Papieren übersäten Tisch. »Nicht das ganze Alphabet konnte wiederhergestellt werden. Und es ist nicht einfach so, dass man einen Buchstaben unseres eigenen Alphabets für jedes dieser obskuren Zeichen einsetzen könnte. Nein, nein. Es gibt einen ständig wechselnden Geheimcode, verstehen Sie, und alle sechsundzwanzig Buchstaben wird die Bedeutung der Symbole vollständig verändert.«
»O je«, stieß Henry aus, »wie können Sie dann die Bedeutung des nächsten Zeichens feststellen?«
Der Alchemist wackelte mit dem Finger. »Wissen Sie, die Hinweise stecken in der vorausgegangenen Übertragung, von der aus müssen Sie das Übrige enträtseln. Wie Sie sich vielleicht denken können, ist das zeitaufwendig. Und selbst wenn man einen kleinen Triumph feiern kann, ist das Resultat ein Text in sehr altem Latein, der eine weitere Übersetzung verlangt …«
»Aber Sie haben Fortschritte gemacht?«, fragte ich drängend.
»Ja, das schon. Ich habe das Vorwort übersetzt.«
»Nur das Vorwort?« Ich spürte, wie die Enttäuschung über mir zusammenschlug. Warum vergeudete er denn seine Zeit mit dem Vorwort? Ich selbst las nie ein Vorwort. Überspring das Vorwort und komm zum Kern der Sache!
Der Luchs Krake, der neben dem Herd zusammengerollt lag, ließ ein leises Schnurren hören und starrte mich an, als wolle er mich wegen meiner Ungeduld tadeln.
»Im Vorwort«, sagte Polidori«, »steckt eine wichtige Information. Agrippa nennt uns da die drei Zutaten.«
»Drei sind nicht so viele«, sagte Elizabeth und klang ermutigt.
»Und«, fuhr Polidori lächelnd fort, »erst letzte Nacht habe ich die erste davon entdeckt.«
»Sie haben die erste Zutat!«, rief ich begeistert. »Das ist wirklich eine großartige Nachricht. Gut gemacht, Herr Polidori. Haben Sie die Sache hier?«
»Unglücklicherweise nicht, junger Herr.«
»Sollen wir sie irgendwo kaufen?«, fragte Elizabeth hilfsbereit.
»Die gibt es in keiner Apotheke zu kaufen«, sagte Polidori. »Kommen Sie mit, ich zeig sie Ihnen.«
Auf dem Tisch lag aufgeschlagen ein großer Band. »Hier bitte, schauen Sie«, sagte er und deutete auf einen kolorierten Stich.
»Das ist ein Pilz oder eine Flechte oder so etwas«, sagte ich.
»Sehr gut«, lobte Polidori. »Eine Flechte. Usnea lunaria .«
»Sie ist schön«, meinte Elizabeth.
Der Stich war bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Die Flechte war bräunlich grau und ihre verworrenen Fasern waren so zierlich wie eine feine Stickarbeit. Ich blickte das Bild lange an und versuchte, mir Form, Muster und Struktur einzuprägen.
»Und sie hat heilende Eigenschaften?«, fragte Henry.
»Es ist ein Toxin«, antwortete Polidori einfach.
»Ein Toxin?«, rief Elizabeth erschrocken. »Sie meinen, ein Gift?«
»Ja, aber ein Gift, das andere Gifte zerstört«, sagte Polidori. Und dann musste er meinen verunsicherten Ausdruck bemerkt haben, denn er fügte hinzu: »Heilen ist eine komplizierte Angelegenheit. Um zu heilen, müssen wir manchmal dem Körper etwas antun in der Hoffnung, dass die letztendliche Wirkung vorteilhaft ist.«
»Das stimmt«, sagte Henry zu mir. »Ich erinnere mich, wie dein Vater erzählt hat, Arsen würde manchmal als Heilmittel verabreicht.«
»Die
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