Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
Schauder, als wäre sie erleichtert, das Ding los zu sein.
Sofort ließ ich ihn in meine Tasche gleiten.
»Als ich in seinem Laden war, hab ich große Zweifel bekommen«, flüsterte sie. »Und dieser Kerl … und seine Katze!«
Ich küsste Maria auf die Wange, wie früher, als ich klein war.
»Vielen Dank«, sagte ich. »Du hast mir einen großen Dienst erwiesen.«
»Ich hoffe, es ist der letzte.« Sie schaute mich an, und ich dachte, in ihrem Gesicht ein Aufflackern von Angst zu sehen.
Schnell ging ich nach oben in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir ab, bevor ich den Brief öffnete.
Werter Herr,
danke für Ihren Brief. Seien Sie beruhigt, ich habe tatsächlich von Ihrem Freund den Kopf des Quastenflossers erhalten und er enthielt reichlich Öle für den Verwendungszweck.
Ich verstehe, dass Sie gegenwärtig verhindert sind, und ich bin äußerst erleichtert, dass unser Projekt geheim gehalten wird, was auch so bleiben muss. Wenn ich nicht anderweitig von Ihnen höre, gehe ich davon aus, dass Sie wünschen, dass ich meine Arbeit fortsetze. Die Übersetzung ist mühsam, schreitet jedoch rasch voran, und ich bin sicher, bald die dritte und letzte Zutat zu kennen. Wenn ich Erfolg habe, werde ich gemäß Ihren Anweisungen eine Nachricht für Sie in der Gallimard-Gruft auf dem Friedhof von Bellerive hinterlassen. Bis dahin verbleibe ich als
Ihr untertäniger Diener
Julius Polidori
Für den Augenblick hatte ich getan, was ich konnte. Nun musste ich abwarten.
Ich wurde zum Hüter der Geheimnisse.
Weder Konrad noch Elizabeth erzählte ich von Vaters Alchemie. Ich erzählte ihnen nichts von meinem Beschluss, unser Abenteuer weiter zu betreiben. Wozu sollte das auch gut sein? Es würde ihre Meinung doch nicht ändern. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, verliebt zu sein. Wenn Konrad nicht das Gefühl hatte, das Elixier bekommen zu müssen, dann würde ich das für ihn tun.
Wenn er wieder krank werden sollte, würde ich das Heilmittel haben. Dann hätte ich die Macht, ihn von den Toten zurückzuholen.
Und welche weitere Macht hätte ich dann noch?
In dieser Nacht wollte sich der Schlaf nicht einstellen, und im Kerzenschein schlug ich mal wieder das schmale grüne Buch auf, das letzte, das mir aus der verbotenen Dunklen Bibliothek geblieben war.
Der Liebestrank war so kinderleicht herzustellen, dass ich es fast nicht glauben wollte.
Ein Tropfen Fischtran.
Zucker, um den Fischtrangeschmack zu überdecken.
Ein Tropfen Kleehonig, um das Ganze weiter zu versüßen.
Eine Prise Thymian.
Der Saft von drei zerriebenen Rosenblütenblättern.
Ein kleines Maß reines Gletscherwasser.
Zwei Prisen Rosmarin.
Eine Strähne vom Haar des Machers, so fein geschnitten und zermahlen wie möglich.
Ein Tropfen Blut von deiner Angebeteten.
An die Sachen war leicht zu kommen, nur die letzte machte mir Sorgen – bis mir mein Taschentuch wieder einfiel. Ich hatte es in einer der Schubladen meiner Kommode verborgen. Ich wollte nicht, dass es gewaschen würde, denn es war ein Fleck von Elizabeths Blut, von ihren süßen Lippen.
Ich konnte den Fleck ausschneiden und das Stückchen Stoff in meine Mixtur fallen lassen.
Das Rezept verlangte, die Flüssigkeit einen Tag und eine Nacht stehen zu lassen. Dann sollte sie von meiner Angebeteten getrunken werden.
Das würde nicht so schwer sein. Bei unserem Fechtunterricht gab es oft zur Erfrischung einen Kräuterlikör. Ich würde ein Glas für Elizabeth eingießen und sofort den süßen Trank dazugeben.
Sie würde mich lieben. Die Tinktur würde sie dazu bringen, mich zu lieben.
Plötzlich überkam mich große Wut und ich schleuderte das Buch gegen die Wand.
Eines war mir klar: Es wäre kein Sieg, wenn ich Elizabeth durch einen alchemistischen Trick gewinnen würde.
Ich war einfach nicht so liebenswert wie Konrad. Ich würde nie seinen Charme haben, seine Anmut oder Geduld oder seine mühelose Fähigkeit, mit Dingen umzugehen. Aber ich hatte denselben schönen Körper und ich hatte mehr Mut, Entschlossenheit und Leidenschaft.
Waren das keine liebenswerten Eigenschaften?
Ich hatte ihre Wolfshitze in jener Nacht im Sturmwald gespürt. Da hatte sie mir gehört, und ich würde sie dazu bringen, dass sie wieder mir gehörte.
Allein durch mich – und für immer.
Danach fiel ich in einen unruhigen Schlaf. Ich träumte, ich würde mit Krake als einzigem Begleiter durch die Alpen ziehen. Ich war auf der Suche, wusste aber nicht, wonach. Verzweifelt schaute ich mich überall um.
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