Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
nickte. Offenbar hatte er mit genau dieser Reaktion bei seinem Chef gerechnet. Er lächelte.
»Kinder. Eigentlich machen sie nur Ärger und Stress. Aber ohne sie wäre dein Leben nichts wert.«
Hambrock gab sich Mühe, das Lächeln zu erwidern. Natürlich wusste Keller nicht, dass er und seine Frau trotz aller Bemühungen keine Kinder bekommen konnten und wie schmerzhaft das für Hambrock gewesen war. Dann hätte er sich diesen Kommentar wohl gespart.
»Ich muss jetzt weiter«, sagte Hambrock. »Ich möchte gleich nach der Dienstbesprechung nach Düstermühle rausfahren. Zu Carl Beeke.«
»Nach Düstermühle? Was gibt es denn so Dickes, dass der Chef da höchstpersönlich aufschlägt?«
»Eigentlich gar nichts. Ich möchte mir nur ein Bild machen.« Mit einem Zwinkern fügte er hinzu: »Ehrlich gesagt muss ich mal für ein paar Stunden hier raus. Meine Ruhe haben, wenn du verstehst.«
Es war seine Art, sich für das Vertrauen zu bedanken, das Keller ihm entgegengebracht hatte. Sie tauschten ein kurzes verbrüderndes Lachen, dann verschwand Hambrock aus dem Waschraum, schnappte sich seine Unterlagen und ging in den Besprechungsraum.
Eine gute Stunde später saß er im Auto. Während der Fahrt dachte Hambrock über den Mordfall nach. Die Ereignisse im Krankenhaus wollte er lieber ausblenden. Er zwang sich regelrecht dazu, an die Ermittlung zu denken und nicht an Birgit. Nach einer guten halben Stunde tauchte der Kirchturm von Düstermühle hinter den Feldern auf. Hambrock drosselte das Tempo. Die Straße führte am Anwesen der Schulte-Steins vorbei, er fuhr rechts ran und überblickte das Gelände. Auf der Anhöhe sah er das große Wohnhaus, den Glockenturm und die Wirtschaftsgebäude. Daneben die Ruine der Schmiede und ein Stück weiter weg, am Rande der Pferdekoppel, die verkohlten Überreste des alten Schuppens.
Erst der Mord an Alfons Schulte-Stein, dann der Einbruch bei Rosa Deutschmann und jetzt der Brand im Schuppen. Er hatte das ungute Gefühl, dass es noch nicht vorbei war. Wer auch immer dahintersteckte, er würde keine Ruhe geben. Die Zeit drängte, sie brauchten langsam Ergebnisse.
Immer noch in Gedanken vertieft, erreichte er schließlich die Siedlung am Ortsrand und das Haus der Familie Beeke. Schon von draußen war Lärm zu hören. Kindergeschrei, ein Poltern, dann das Schimpfen einer Frau. Hambrock drückte die Klingel. Die Tür wurde geöffnet, und eine Frau mit gehetztem Gesichtsausdruck erschien auf der Schwelle. Sie war Mitte vierzig und trug ein elegantes Kostüm und hochhackige Schuhe. Allerdings wirkte sie in diesen Sachen irgendwie verkleidet. Es fiel ihm leichter, sich diese Frau in Arbeitskleidung vorzustellen.
»Ja, bitte?«, begrüßte sie ihn.
Doch bevor er sich vorstellen konnte, erklang ein erneutes Poltern, und sie wandte sich ab und schrie: »Tobi, was habe ich gerade gesagt! Ihr sollt damit aufhören und eure Hausaufgaben machen!«
Dann atmete sie durch und blickte wieder zu Hambrock. »Verzeihen Sie. Kinder eben …« Das Lächeln, das sie jetzt aufsetzte, misslang ihr gründlich.
»Kein Problem. Bernhard Hambrock«, stellte er sich vor. »Ich bin mit Carl Beeke verabredet.«
»Das ist mein Vater. Sie sind von der Polizei, nicht wahr? Kommen Sie doch herein.«
Sie trat beiseite und rief in den Flur hinein: »Vater! Du hast Besuch!«
Dann wieder ein lautes Rumpeln, und eines der Kinder begann zu heulen.
»Herrgott! Was habe ich euch denn gesagt!«
Sie ließ ihn stehen und stöckelte energisch zu ihren Kindern. Über die Schulter sagte sie: »Er ist im Wohnzimmer, die Tür am Ende des Flurs. Gehen Sie einfach rein.«
Damit verschwand sie im Nebenraum. Hambrock sah sich um. Dann klopfte er an die Wohnzimmertür. Drinnen blieb alles ruhig. Er zögerte und öffnete dann vorsichtig.
Ein großer, stiller Raum mit einem riesigen Panoramafenster. Der Blick führte auf die winterliche Landschaft: Wiesen, Felder und ein kleiner Bach, der von Kopfweiden gesäumt war. Davor ein wuchtiger Lehnsessel, in dem ein alter Mann hockte und versonnen hinausblickte. Von der Hektik und dem Stress im vorderen Teil des Hauses war hier nichts zu spüren. Hambrock hatte das Gefühl, als hätte er eine andere Welt betreten.
Er räusperte sich. »Herr Beeke?«
Der alte Mann fuhr zusammen und wandte sich um.
»Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken. Mein Name ist Bernhard Hambrock, wir haben telefoniert.«
»Aber ja, Herr Hambrock.«
Carl Beeke stand mühsam auf. »Nehmen Sie doch
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