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Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)

Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)

Titel: Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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lange auf das Befragungsprotokoll. Dann beschloss er, dem Alten einen Besuch abzustatten. Wenn einer die alten Geschichten in Düstermühle kannte, dann war das offenbar dieser Carl Beeke.
    Rosa fühlte sich unbehaglich. Der Einbrecher war in ihrem Haus gewesen. Er hatte in ihren Sachen gewühlt. Es kam ihr vor, als wäre sie von ihm beschmutzt worden. Ein scheußliches Gefühl.
    An der Tür hing jetzt ein Sicherheitsschloss. Ihre Tochter hatte darauf bestanden, es anzubringen, damit Rosa sich in Zukunft sicherer fühlen konnte. Rosa hatte nichts dagegen eingewendet, auch wenn sie im Stillen überzeugt davon war, dass sich so ein Einbruch nicht wiederholen würde. Wer immer hier in ihrem Haus gewesen war, er hatte, was er wollte: das Album des alten Schulte-Stein.
    Nichts anderes war abhandengekommen. Auf dem Küchentisch lagen noch immer die fünfzig Euro, mit denen sie eine Lieferung aus dem Blumenladen bezahlen wollte, und in einem Kästchen im Wohnzimmerschrank befand sich der funkelnde Familienschmuck. Doch nur das Album fehlte.
    Rosa stellte das Radio ein, auf dem Klassiksender lief gerade ihr Lieblingsprogramm. Sie setzte sich wie jeden Tag nach dem Mittagessen auf ihren Sessel am Öfchen, schaltete die Leselampe ein und nahm ihre Handarbeit auf. Ein Weihnachtsmotiv mit Rentieren und schneebedeckten Tannen, das sie auf ein Stück Webstoff stickte. Es sollte ein Weihnachtsgeschenk für ihre Tochter werden, sie arbeitete schon seit ein paar Tagen daran.
    Doch die Freude, die sie normalerweise bei ihrer Handarbeit empfand, wollte sich heute nicht einstellen. Dafür war einfach zu viel passiert in den letzten Tagen. Und seit dem Einbruch steckte sie selbst mittendrin. Sie war ein Teil dieser Geschehnisse, ob sie es nun wollte oder nicht.
    Mit einem Seufzer ließ sie die Handarbeit sinken. Alfons Schulte-Stein. Rosa erinnerte sich genau, wie sie mit ihrer Mutter im Frühjahr 1945 auf dem Gutshof eingetroffen war. Sie waren alles andere als herzlich empfangen worden, aber so war das damals eben gewesen. Keiner hatte etwas zum Teilen gehabt, alle litten Not und beweinten ihre eigenen Toten. Wer wollte da noch die vielen Menschen aus dem Osten durchfüttern? Sie wurden per Zwangserlass den Höfen zugeteilt. Der alte Schulte-Stein war Bürgermeister von Düstermühle gewesen, einer der wenigen Männer, die nicht in den Krieg mussten. Durch seine Stellung hatte er sich in den Kriegsjahren viele Vorteile verschaffen können, aber Flüchtlinge musste auch er aufnehmen, da gab es keine Ausnahme.
    Ach, dachte Rosa, wären wir nur woanders gelandet. Vielleicht hätten wir es dann besser gehabt. Bei Schulte-Stein mussten sie in einem Verschlag im Stall schlafen, wo sie nur ein Bretterboden vom Vieh trennte. Und Schulte-Steins ließen es sie jeden Tag spüren, dass Mutter und Tochter nicht willkommen waren. Rosa konnte sich an den nagenden Hunger erinnern, der sie damals ständig begleitet hatte, und an den Geruch von gebackenen Pfannkuchen, der am Tag ihrer Ankunft aus dem Wohnhaus der Schulte-Steins gezogen war. Sie hatte ihre Mutter um Essen angefleht, und tatsächlich war sie rübergegangen und hatte um Milde gebeten, nicht für sich, sondern nur für ihre halb verhungerte Tochter. Ein kleines Stück Pfannkuchen für das Kind, mehr verlangte sie nicht. Doch das Einzige, womit sie zurückkehrte, war eine Schüssel mit Kartoffelschalen. »Vergiss den Pfannkuchen«, hatte sie gesagt und sich darangemacht, eine Suppe aus den Resten zu kochen. »Es ist trotz allem ein Glück. Ich mache dir jetzt was zu essen. Wir wollen dankbar sein, hörst du, Rosa? Hier müssen wir nicht verhungern.«
    Vier Kinder waren auf dem Hof gewesen. Alfons, der Älteste, Jahrgang 1938 wie Rosa. Dann Magda, die Jüngste, die gerade mal drei Jahre alt gewesen war. Und die anderen drei, Hanne, Friedhelm und Fritz, die irgendwo dazwischenlagen. Rosa hatte sich ein wenig mit Alfons angefreundet, auch wenn sich das heute schwer nachvollziehen ließ. Als Kind war er anders gewesen. Offener und sensibler. Sie hatte damals Geheimnisse mit ihm geteilt. Da war nicht nur der Diebstahl des Fotoalbums, den Alfons verschwiegen hatte. Er hatte auch manchmal für Rosa Lebensmittel geklaut. Ein Stückchen Wurst oder ein kleines Glas mit eingemachten Stachelbeeren. Es waren unglaubliche Schätze gewesen, irrsinnige Kostbarkeiten, die den Himmel auf Erden darstellten. Sie musste Alfons heilig schwören, keinem etwas davon zu sagen, nicht einmal ihrer Mutter, die jeden

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