Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
wollte nicht darüber reden. Meine Schwester sagt, sie hat den Mann später noch auf dem Parkplatz gesehen. Er hat einen Volkswagen gefahren, falls Ihnen das weiterhilft. Einen VW Passat.«
Jetzt war Keller hellwach. Ein Passat aus Köln. Vielleicht war das doch eine heiße Spur.
»Welche Farbe hatte der Passat? Und können Sie sich an das Kennzeichen erinnern?«
»Sie sagt, er war dunkelblau. Und er kam aus Köln, mehr weiß meine Schwester leider nicht.«
»Frau Schulte-Stein, wir würden dieses Gespräch gerne noch einmal persönlich mit Ihnen führen. Wäre es möglich, dass wir bei Ihnen vorbeikommen? Sagen wir, morgen Vormittag?«
»Am Sonntagmorgen? Warum nicht? Wir sind jedenfalls zu Hause.«
Sie vereinbarten eine Uhrzeit, Keller bedankte sich noch mal und legte auf. Er überschlug die Fahrtzeit nach Köln. Eventuell konnte er es schaffen, am Nachmittag am Schalke-Stadion in Gelsenkirchen zu sein. Sein Sohn müsste alleine hinfahren, und sie könnten sich dort treffen. Aber wahrscheinlich war es besser, gleich alles abzusagen, als später nicht rechtzeitig aufzutauchen und den Jungen allein vorm Stadion stehen zu lassen.
Keller ging hinunter auf den Parkplatz und verzog sich in eine windgeschützte Ecke, um ungestört telefonieren zu können. Auf dem Handy seines Sohnes sprang nur die Mailbox an. Er zögerte, doch dann hinterließ er ihm eine Nachricht. Entschuldigte sich zahllose Male, versicherte ihm, das wiedergutzumachen, und schlug sogar einen gemeinsamen Urlaub vor, wenn er offiziell freihatte und keine Mordermittlung dazwischenkommen konnte.
Ihm war aber klar, dass er persönlich mit Niklas sprechen musste. Deshalb versuchte er es bei seiner Exfrau. Nach dem zweiten Läuten meldete sich eine dunkle Stimme. Der Herr Anwalt, dieser Schleimer. Keller drückte die Verbindung weg. Er hatte keine Lust, mit dem neuen Mann seiner Ex zu plaudern. Nicht heute. Er würde einfach später noch mal anrufen. Und dann seinem Sohn alles in Ruhe erklären.
Unschlüssig blieb er auf dem Parkplatz stehen. Dann nahm er sich eine Zigarette, lehnte sich ans Eingangstor und zündete sie an. Erst mal in Ruhe eine rauchen, danach konnte er immer noch zurück an die Arbeit gehen.
Antonius wollte nicht mit Renate sprechen. Er schloss den Wagen ab und steuerte das Haus an. Er konnte ihr nicht helfen. Es ging nicht anders.
»Ich habe keine Zeit, Renate. Tut mir leid.«
»Aber du musst mit mir sprechen!« Sie kam näher, packte ihn an den Armen. »Du musst mit mir über Siegfried sprechen. Antonius, bitte.«
In ihren Augen lag Verzweiflung. Er wollte sich nicht vorstellen, was sie gerade durchmachte.
»Ich bitte dich«, flehte sie.
Er fühlte sich schrecklich. Am liebsten hätte er ihr die Wahrheit gesagt. Renate hatte ein Recht darauf. Sie war über vierzig Jahre lang mit Siegfried verheiratet gewesen.
Aber das durfte er nicht. Wenn er ihr sagte, was in der Nacht geschehen war, würde ihm endgültig alles entgleiten.
»Es tut mir leid, Renate. Ich weiß nicht, was mit Siegfried in dieser Nacht geschehen ist. Er hat mir nicht gesagt, dass er in die Schmiede gehen würde. Er hat mich in seine Pläne nicht eingeweiht.«
»Du lügst doch. Bitte, sag mir, was du weißt. Ich bitte
dich.«
»Nein. Mehr weiß ich nicht. Das ist alles.« Es zerriss ihm das Herz, doch er musste sie fortschicken. »Helga wartet auf mich, Renate. Ich muss jetzt gehen.«
Er ließ sie einfach stehen. Wandte sich ab und ging auf das Haus zu. Schritt um Schritt, ohne sich umzublicken.
»Ist es wegen diesem Kind?«, rief sie ihm hinterher. »Hat es damit zu tun?«
Er blieb stehen. »Welches Kind?«
»Es muss ein Kind gegeben haben. Als der Krieg zu Ende ging. Auf dem Hof. Was ist mit dem Kind passiert?«
»Wovon redest du, Renate? Ich weiß nichts von einem Kind.«
Sie blickte ihn an. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie senkte den Kopf und wandte sich langsam ab. Offenbar hatte sie begriffen, dass sie hier tatsächlich nichts erfahren würde. Schweigend ging sie davon.
Die Lampe über der Haustür flammte auf. Helga tauchte auf. Sie rollte durch die Tür und sah Renate hinterher.
»Ist das Renate Wüllenhues? Wieso hast du sie nicht hereingebeten? Wolltest du Rücksicht auf mich nehmen, weil Alfons mein Exmann war?«
»Nein.« Er wandte sich ab und ging zur Tür. Er spürte eine schwere Last auf seinen Schultern. »Sie hatte gar nicht vor zu bleiben.«
»Aber was wollte sie denn? Ist etwas passiert?«
»Nein. Sie … Ach,
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