Duett der Liebe
gleich eine große Geschichte hineinzulesen. Wer drückte schon seine Adresse und Telefonnummer gleich jedem in die Hand? Tyler kannte sie einfach nicht gut genug und war deshalb etwas verunsichert gewesen. Kein Grund, sich Gedanken zu machen.
Als sie sich der richtigen Hausnummer näherte, hörte sie Klaviermusik, die aus einem offenen Fenster auf die Straße klang. Die schmeichelnden Töne beruhigten sie sofort. Es war, als ob alle Anspannung einfach von ihr abfiel, während sie hingerissen lauschte.
Er ist gut, dachte sie. Sehr gut. Dad wäre beeindruckt.
Sie vergaß nie, dass ihr Vater seine eigene musikalische Karriere aufgegeben hatte, um sich seinen beiden jungen Töchtern zu widmen.
Unentschlossen umklammerte Brooke das Lenkrad. Vielleicht sollte sie einfach wieder fahren, zumal sie ihn ja offenbar gerade beim Spielen störte? Andererseits war er bestimmt froh, die Sorge um das Kindermädchen so bald wie möglich los zu sein. Und sie mussten ja auch einen Termin für das Vorstellungsgespräch abmachen.
Wieso war sie nur so nervös?
Sie musste drei Mal klingeln, bevor die Musik aufhörte. Von drinnen erklangen Schritte, die sich der Haustür näherten. Doch bevor er aufschloss, blickte er durch den Türspion.
Erst danach hörte sie, wie eine Kette zurückgeschoben wurde und zwei Schlösser klickten. Schließlich öffnete sich die Tür.
Sie warf einen amüsierten Blick auf die Sicherheitsvorkehrungen. „Man sollte meinen, dass Sie doch mal in New York gewohnt haben. Dort hatten wir alle drei oder vier Schlösser.“
Er deutete auf die Innenseite der Tür. „Nur zwei.“
„Und eine Kette.“
Offenbar hatte er nicht vor, sie hereinzubitten, denn er stand reglos im Eingang.
Vielleicht war das seine höfliche Art, ihr mitzuteilen, dass er nicht in der Stimmung war, Besucher zu empfangen. Mit einer Kühnheit, die sie selbst überraschte, fragte sie: „Dürfte ich vielleicht reinkommen?“
„Entschuldigung.“ Hastig trat er einen Schritt zurück. „Ich hätte mir denken können, dass Sie nicht hier sind, um die Schlösser an meiner Tür zu zählen.“
Drinnen fielen Brooke sofort die zahlreichen Umzugskisten auf, die überall herumstanden. Es wirkte ein wenig, als wäre er sich nicht ganz sicher, ob er am Einziehen oder Ausziehen war. Die wenigen Möbel, die bereits einen Platz gefunden hatten, waren alle neu.
Nicht schlecht, dachte sie. Es muss nett sein, sich bei einem Umzug völlig neu einzurichten.
Bemüht, sich auf das eigentliche Anliegen zu konzentrieren, drehte sie sich zu ihm um. „Ich bin nur hier, um zu fragen, wann Sie meine Großmutter sehen möchten.“
Entgeistert blickte er sie an. „Ihre Großmutter?“
Erst einen Augenblick später fiel es ihm wieder ein. Sie so unerwartet auf der Türschwelle vorzufinden, hatte ihn etwas aus dem Konzept gebracht. „Ach ja, richtig, für die Stelle.“
Offenbar war er mit seinen Gedanken ganz woanders, wahrscheinlich bei seiner Musik. Auch ihr Vater hatte beim Spielen immer in einer anderen Wirklichkeit geschwelgt.
„Ich bin bei Granny vorbeigefahren und habe sie gefragt, ob sie Interesse hat“, erklärte Brooke. „Sie brennt geradezu darauf, anfangen zu können. So ist sie nun mal, sie macht keine halben Sachen. Ich garantiere, dass die Mädchen bei ihr in besten Händen sind.“
Er dachte einen Moment nach. Das Licht, das durch das Deckenfenster fiel, Glanzlichter auf ihr Haar zauberte und ihrer Haut ein sanftes Leuchten verlieh, half dabei nicht viel. In diesem Augenblick wirkte sie beinahe überirdisch schön.
„Ich habe morgen Vormittag Zeit. Wäre so gegen zehn in Ordnung?“
Brooke zählte darauf, wie flexibel Granny war. „Wunderbar.“
Immerhin war er schon dazu gekommen, ein paar Bilder aufzuhängen. Teure Originale, keine Drucke. Offenbar gehörte er nicht zu den Musiklehrern, die am Rande
des
Existenzminimums
lebten.
Als
sie
seinen
nachdenklichen
Gesichtsausdruck bemerkte, schrieb sie es seiner Besorgnis als Vater zu.
„Machen Sie sich keine Gedanken, Sie werden Granny lieben.“
Das war nun ein bisschen zu viel verlangt, dachte er. Es war ihm nie leicht gefallen, zu Menschen eine engere Verbindung herzustellen. Erst Gina hatte ihm dabei geholfen, offener zu werden. Doch mit ihrem Tod war auch dieser Teil von ihm verloren.
„Das muss ich gar nicht. Es reicht mir, wenn ich weiß, dass sie Verantwortungsgefühl hat und mit Notfällen klarkommt.“
Natürlich. Wenn man erst mal Kinder hatte, bestand
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