Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
Ich trat um den Balken-Tisch herum und sah auf Yves herab, der halb auf der Liegewiese kniete und die Kissen nach hinten in die Ecke warf. Die Dachschräge begann erst in etwa anderthalb Metern Höhe, was der allgemeinen Gemütlichkeit jedoch keinen Abbruch tat.
„Sag nicht, hier gibt es Tee“, brachte ich schließlich hervor, als ich mich wieder zu dem Sideboard umsah.
Yves erhob sich und blieb neben mir stehen. „Doch, gibt es. Setz dich, ich hole Wasser.“
Er ging in die Ecke rechts neben der Tür und ergriff einen weißen Kanister, der mir bisher nicht aufgefallen war. Es war noch Wasser darin, das glucksend umherschwappte, deshalb fragte ich: „Reicht das nicht mehr?“
Er sah mich an, mittlerweile hatte ich mich im Schneidersitz niedergelassen und lehnte mich an die Kissen.
„Nein, das steht schon ewig hier … Ich glaube, ich war im Frühling zuletzt hier oben …“ Er öffnete die Tür und verschwand ohne Lampe. Offensichtlich kannte er sich hier gut aus, denn ich hörte nicht, dass er irgendwo anstieß oder sich langlegte.
Es dauerte nur Minuten, dann erschien er wieder und stellte den Kanister ab, nachdem er den Wasserkocher befüllt hatte.
„Das hier hat Berghüttencharme“, murmelte ich behaglich und kuschelte mich weiter in die Decke. „Fehlt nur noch die blau-weiß karierte Bettwäsche.“
Er sah mich lächelnd an und kam auf mich zu. Auf der Kante der Matratze kniete er sich hin und musterte mich schweigend. Ich überlegte, was ich sagen sollte, ob ich etwas sagen musste.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich mal jemanden mit hierher nehmen würde“, sagte er schließlich in die Stille, die nur vom Blubbern des Wasserkochers ein wenig gestört wurde.
„Ich fühle mich jedenfalls sehr geehrt“, erwiderte ich und lächelte zurück. Ich widerstand dem Drang, die Hände nach ihm auszustrecken. Natürlich war sein Geruch hier überall, auch wenn er nicht der einzige war. Hier störten mich die anderen nicht. Ich gratulierte meiner Nase zu diesem Taktgefühl – natürlich im Stillen.
„Oh, den Extra-Clou habe ich dir noch gar nicht gezeigt!“ Er streckte sich zum Ende der Matratze und betätigte einen Lichtschalter, dann schob er die Laterne auf die von uns abgewandte Seite des Pfeilers und ich sah, was er meinte.
Sprachlos glitt ich tiefer in die Kissen und sah zu den Dachschrägen auf, in denen ungezählte Leuchtdioden aufblinkten und einen Sternenhimmel simulierten. Irgendwann murmelte ich ehrfürchtig: „Wow!“
Er grinste. „Ja, die drei von früher … Sie waren eine Menage à trois und haben sich das hier als ihr Liebesnest ausgebaut.“
„Ich verstehe. Und? Hast du hier oben auch schon gevögelt?“ Diese Frage kam zu plötzlich in meinen Kopf und schlüpfte heraus, bevor ich sie zurückhalten konnte. Es ging mich doch gar nichts an!
Zu meinem Erstaunen antwortete Yves trotzdem, wenn auch sehr ausweichend. „Macht das einen Unterschied?“
Ich schüttelte den Kopf und seufzte. „Nein. Tut mir leid.“
„Bist du eigentlich wirklich so prüde, wie du immer tust?“
Die Frage haute mich echt aus den Socken. Ich und prüde? Ein Lachen kroch aus meiner Kehle. „Äh … Du denkst, ich wäre verklemmt?!“
Yves machte eine seltsame Bewegung, die aussah wie gleichzeitiges Schulterzucken und Nicken. „Du wirkst jedenfalls so. Ich meine, es gab deutliche Anzeichen dafür, dass ich … na ja … dich anmache, aber du hast jedes Mal im wahrsten Wortsinne den Schwanz eingezogen …“
Seine Wortwahl amüsierte mich und ich seufzte, während ich die Beine ausstreckte und mich auf den Rücken rollen ließ. Ich sah den Sternenhimmel über mir an.
„Ob du es glaubst oder nicht, ich hab mit vierzehn angefangen, meinen Spaß zu haben. Damals, in einem anderen Internat. Ich hab so ziemlich alles durch, was man im Bett, am Boden, in Badezimmern, auf Toiletten und im Wald so anstellen kann, wenn man willig genug ist, und einen entsprechenden … Spielgefährten hat. Gibt Dinge, die ich nie ausprobieren würde, gibt Dinge, die ich extrem geil fand und es gibt Dinge, die ich nie wieder erleben will.“ Ich wandte den Kopf und sah, dass er mich gebannt anstarrte und mir zuhörte. Er trug eine interessierte Miene, kein Lächeln, kein Erstaunen in seinen Gesichtszügen.
Ich sah an ihm vorbei und setzte fort: „Mir war egal, wann oder mit wem – solange ich denjenigen gut riechen konnte. Hauptsache Sex, Hauptsache Spaß. Übrigens niemals ohne Kondom. Aber diese Zeiten sind vorbei
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