Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
warten musste. Denn meine Liebe gehörte ihm, in diesem Moment war ich mir sicher. Mein Herz, meine Seele, alles, was niemand sehen und nur einer erspüren konnte, all das gehörte ihm.
Kapitel 5
Wir zitterten beide, es war viel zu kalt, trotz der Decke, trotz der engen Umarmung. Selbst unsere leichten, zarten Küsse, das sanfte Spiel unserer Zungen konnte daran nichts mehr ändern.
Yves murmelte: „Wir sollten uns drinnen irgendwo verkriechen. Komm, ich zeige dir ein Geheimversteck!“ Er erhob sich und streckte mir die Hand hin. Nur zu gern ergriff ich sie und wir gingen Arm in Arm, die Decke festhaltend, auf eines der Nebengebäude zu.
„Wir sind nicht alle immer so folgsam, wie der Dekan uns gern hätte. Manchmal gibt es Situationen, in denen man einfach ’ne Weile absolut ungestört sein will …“ Er grinste mich an und ich spürte, wie sich ein Teil von mir verkrampfte. Diese Andeutungen auf seine sexuellen Aktivitäten gefielen mir einfach nicht. Er bemerkte meine Anspannung. „Hey, Sex hat man hier überall, davon habe ich nicht geredet, okay?“
Ich nickte ruckartig und wir erreichten den Pferdestall. An seiner Rückseite gab es eine Außentreppe, die wir hinaufstiegen. „Erst kommt ein kleiner Abstellbereich, dann das Strohlager. Auf der anderen Seite ist das Geheimversteck.“ Yves nestelte direkt hinter der Tür an etwas herum, dann wurde es hell. Er hielt eine kleine Laterne in der Hand und zog mich weiter.
Ich war neugierig. Wie mochte so ein Versteck aussehen? „Wer benutzt es? Ich meine, besteht die Gefahr, hier mal jemand anderem über den Weg zu laufen?“, fragte ich im Flüsterton.
„Nur ganz wenige wissen, dass es hier oben überhaupt etwas außer Stroh gibt. Eingerichtet und ausgebaut haben es drei ehemalige Schüler. Und soweit ich weiß, haben sie nur … Duncan und mir verraten, dass es existiert.“
Ich grübelte. Natürlich hatte ich bisher keinerlei Gelegenheit gehabt, alle Schüler mit Namen kennenzulernen. Aber mir fiel das Zögern in Yves’ Worten auf.
„Duncan?“, fragte ich deshalb.
Er nickte, sah mich aber nicht an, und ich beschloss, nicht nachzubohren.
„Er ist auch nicht mehr hier …“, sagte er schließlich und wandte sich wieder um. Ich folgte ihm.
Durch den Holzdielenboden drangen leise Geräusche und eine ganz leichte Pferdenote zu uns. Aber deren Geruch war nichts im Vergleich zu den allumfassenden Streicheleinheiten, die meine Nase durch Yves’ Nähe erhielt. Hinter einem weiteren, gewaltigen Quader aus Strohballen lag ein Gang, den man ausgespart hatte. Er führte direkt auf eine Holztür zu. Yves öffnete sie und trat ein. Muffige Luft schlug mir entgegen, doch ich trat hinter Yves in den Raum. Ich sah auf die flackernde Laterne.
„Ist das nicht sehr gefährlich mit der Lampe?“
Er wandte nun doch den Kopf. „Nein, das ist eine solargespeiste Elektrolampe. Sie flackert nur, damit man Lagerfeuerfeeling kriegt.“
Er stellte sie ab und endlich sah ich den unerwartet großen, vielleicht vier auf vier Meter messenden Raum, der an zwei Seiten Dachschräge besaß.
In der Mitte des Raumes ragte ein dicker Holzpfeiler bis zum Scheitelpunkt der beiden Schrägen, von denen die gegenüber der Tür ein altes Dachfenster hatte.
Yves ging dorthin und öffnete es, sofort fiel frische Luft in das Dachzimmer und erleichterte das Atmen. Ich blickte um mich.
Der Dielenboden hier war fugenlos verlegt und sehr hell, naturbelassen und neu. Jedenfalls im Vergleich zu Holz draußen im Strohlager.
In der hohen Ecke links neben der Tür stand ein ebenso helles Sideboard aus Kiefernholz, darauf standen verschiedene emaillierte Metallboxen, die mich an Keksdosen erinnerten. Ein Wasserkocher und ein Ghettoblaster standen daneben. An der Wand darüber hing ein Regal mit Haken, an denen große Teebecher hingen.
Ich dachte spontan an eine Berghütte, als ich diese Möblierung sah. Mein Blick wanderte weiter. Um den senkrechten Balken herum war ungefähr auf Kniehöhe eine runde Tischplatte angebracht, auf der Yves die Laterne abgestellt hatte. Dann sah ich, dass er mich keineswegs bei der Musterung des Raumes beobachtete. Stattdessen zog er gerade ein riesiges Bettlaken von etwas, das jenseits des dicken Holms unter den Schrägen lag. Zum Vorschein kam eine Matratze, die überdimensional großflächig aussah und bei deren Anblick ich mich spontan fragte, wie man sie hier hereinbekommen hatte. Auf ihr lagen zwei große Haufen Kissen und mehrere aufgefaltete Decken.
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