Duft des Mörders
sie sich auf ihrem Stuhl zurück und stieß einen enttäuschten Seufzer aus. Viele der abgelichteten Gäste kannte sie, und von den anderen Gesichtern kam ihr keines verdächtig vor. Sie klopfte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte, während sie überlegte. J.B. zu fragen, wen Adam auf den Fotos zu finden gehofft hatte, war natürlich undenkbar. Allerdings kannte sie jemanden, der ihr möglicherweise weiterhelfen konnte: Marcie Hollander. Sie und Adam hatten jahrelang zusammengearbeitet und gemeinsam eine Reihe Krimineller vor Gericht gestellt. In dieser Stadt gab es nichts, worüber die Bezirksstaatsanwältin nicht informiert war, und keine wichtige Persönlichkeit, die sie nicht kannte. Bevor sie Marcie aber die Fotos gab, wollte Jenna für sich einen weiteren Satz Abzüge machen.
Mit den Fotos in der Hand ging sie in die Dunkelkammer und schloss die Tür. Andere Fotografen, mit denen sie gelegentlich ins Gespräch kam, hatten ihr geraten, von herkömmlicher Fotografie auf digitale umzusteigen. Doch nach ein paar Anläufen war ihr klar geworden, dass dies nicht das Richtige für sie war. Ihr fehlte die Dunkelkammer. Sie konnte das nicht erklären, vor allem nicht den Leuten, die sich vollständig auf digitale Fotografie verlegt hatten. Aber für Jenna hatte eine Dunkelkammer etwas sehr Persönliches. Die Kammer war eine Zuflucht, in der nur sie etwas zu suchen hatte. Ohne sie fühlte sich Jenna verloren.
Die Einrichtung war schlicht gehalten: ein standardmäßiges Edelstahlbecken, Filmentwicklungsdosen, ein Hochgeschwindigkeitstrockner, Vergrößerer, eine Entwicklungsmaschine, eine Wäscheleine und ein Regal, das Platz für ihr sämtliches Zubehör bot. Es war nichts Hochmodernes, doch ihr genügte es.
Sie knipste die rote Lampe an und begab sich an die Arbeit.
Nach einer Stunde war ein zweiter, kleinformatigerer Satz Fotos fertig, den sie in ihre Handtasche steckte. Die Originale kamen in einen braunen Umschlag, den sie ebenfalls in die Tasche stopfte. Wenn sich auf den Fotos irgendeine zwielichtige Gestalt befand, die sich unter die Gästeschar gemischt hatte, dann würde Marcie sie entdecken.
Am Dienstagmorgen saß Pincho in dem kleinen Hinterzimmer des Insomnia und blätterte in der
New York Times
. Auf Seite 3 des Metro-Teils fand er die Meldung, die er suchte. Es ging um den Mord an Adam Lear. Ein Foto des Opfers war ebenfalls abgedruckt.
Der Bericht entsprach genau dem, was er erwartet hatte. Adam Lear war erstochen im Central Park aufgefunden worden. Der Täter war zwar nicht gefasst worden, doch der Polizei lag die Beschreibung eines Mannes vor, der gesehen worden war, wie er sich vom Tatort entfernte. Man ging davon aus, den Tatverdächtigen in Kürze festzunehmen.
Es war ein ausgesprochen leichter Auftrag gewesen. Nachdem sich Lear und seine Bekannte voneinander verabschiedeten, ging Pincho auf den Anwalt zu und behauptete in nüchternem, geschäftsmäßigem Tonfall, er arbeite für Faxel und besitze Informationen, die für Adam Lear sicherlich interessant wären. Pincho schlug vor, ein wenig spazieren zu gehen. Er hatte angenommen, dass sich Lear weigern würde. In dem Fall hätte er den Anwalt noch im Parkhaus getötet. Doch nach kurzem Zögern war Lear einverstanden und folgte ihm in den Park.
Der einzige unerwartete Faktor in Pinchos gut durchdachtem Plan war die Frau. Niemand hatte davon gesprochen, dass Lear in Begleitung sein und er sich auch noch in dieses Lokal begeben würde. Doch Pincho Figueras war ein intelligenter Mann, und er konnte improvisieren. So konnte er den Plan letztlich ohne Schwierigkeiten ausführen. Wenn die Polizei diese ihm unbekannte Frau befragen sollte, dann würde sie sich an einen stinkenden Penner erinnern, der ein Bein nachzog.
„Tut mir Leid, Roy, alter Junge“, murmelte er. „Es ist nichts Persönliches, rein geschäftlich.“
Etwas Geschäftliches, für das er gut bezahlt wurde. Aber warum nicht? Sein Beruf war riskant. Man musste nicht nur den nötigen Mut und Scharfsinn haben, sondern auch einige Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen – wie zum Beispiel diese ekelhaften Klamotten, die er fast den ganzen Abend getragen hatte. Pincho hasste alles, was schmutzig war. Schmutz war für ihn noch schlimmer als Armut. Zuerst hatte er die widerwärtig riechenden Klamotten verbrennen wollen, doch in seiner Branche konnte man nie wissen, wann man so eine Tarnung noch mal brauchte.
Das Telefon klingelte. Das würde sein Klient sein.
Schon nach dem ersten
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