Duft des Mörders
Manhattan war die Hölle. Frank brauchte über vierzig Minuten, um den Columbus Circle zu erreichen, und erst nach einer weiteren Viertelstunde fand er einen Parkplatz.
„Ich werde erst mal deine Wohnung nach Wanzen absuchen“, sagte er zu Jenna, als sie aus der Liftkabine traten. „Bis ich damit fertig bin, sollten wir uns über irgendetwas Alltägliches unterhalten.“
Allein der Gedanke, jemand könne in ihre vier Wände eingedrungen sein, machte Jenna rasend vor Wut, bereitete ihr aber zugleich auch schreckliche Angst. Bisher hatte sie sich dort immer sicher gefühlt. Sie nickte und signalisierte Frank damit, dass sie verstanden hatte, dann schloss sie auf.
„Kann ich dir was anbieten?“ Ihre Stimme klang etwas lauter und schroffer als üblich. „Ein Wasser? Ein Bier?“
„Ein Bier wäre toll. Kann ich gerade mal die Toilette benutzen?“
„Fühl dich ganz wie zu Hause.“
Sie öffnete den Kühlschrank, holte ein Bud Light heraus und stellte die Flasche auf den Tresen. Sie wusste zwar, dass man sie allenfalls belauschte, nicht aber beobachtete, dennoch fühlte sie sich unbehaglich. Was, wenn Frank wirklich eine Wanze fand? Wer immer sie hier platziert hatte, würde dann wissen, dass er aufgefallen war. Würde derjenige die Wanze durch eine andere ersetzen? Oder würde er zu drastischeren Maßnahmen greifen – so wie bei Claire?
Ihr Herz setzte für einen Schlag aus, als sie an die Fotos dachte, die sie hier in der Küche versteckt hatte. Ihr Blick huschte zu der Rezeptbox, die anscheinend unangetastet auf dem Tresen stand. Sie machte sie auf und stellte erleichtert fest, dass die entsprechende Hülle mitsamt Inhalt noch da war.
Sie trank einen Schluck Wasser. Frank kam zu ihr in die Küche. „Ich wusste gar nicht, dass du vom Badezimmer aus so eine tolle Aussicht hast.“ Er bedeutete ihr, nichts Verdächtiges zu sagen, während er zum Fenster ging und den Rahmen abtastete.
„Darum wohne ich hier so gern. Von fast jedem Zimmer aus kann ich die Aussicht genießen.“
Er zog einen Stuhl heran, stieg hinauf und inspizierte die Küchenlampe.
„Möchtest du ein Glas?“
„Nein, ich trinke mein Bier aus der Flasche.“
Mit nach oben gerichtetem Daumen bedeutete er ihr, dass die Lampe okay war, dann widmete er sich den Küchenschränken und sogar dem Kühlschrank. Nachdem er in der Küche nichts gefunden hatte, ging er in den Flur und suchte ihn genauso gründlich ab.
„Hier ist nichts versteckt“, erklärte er schließlich und nahm die Flasche entgegen, die Jenna ihm hinhielt. Er nahm einen tiefen Schluck. „All right, dann sehen wir uns jetzt diese Datei an, die Claire entdeckt hat.“
Jenna fuhr den Computer hoch und schob die Diskette ein, die sie den ganzen Tag in ihrer Handtasche mit sich herumgetragen hatte.
„Idiot
?“ fragte Frank erstaunt, als er sah, welches Passwort sie eintippte.
„Adams Sarkasmus“, erläuterte sie. Auf dem Bildschirm tauchte die Weltkarte auf.
Frank setzte sich hin und las die beiden Texte unter der Karte. Danach lehnte er sich zurück. „
Bratstvo
. Verdammt noch mal.“
„Ich dachte mir, dass dir der Name etwas sagt.“
„Das tut er allerdings. 1996 wurde mir die Leitung einer Sonderkommission übertragen. Unser Auftrag lautete, herauszufinden, wie mächtig
Bratstvo
in Russland und im Ausland ist. Eine Woche später flogen wir nach Russland und verbrachten die nächsten drei Monate in unserem Büro in Moskau. Als wir genügend Informationen zusammenhatten, kehrten wir nach Hause zurück und konzentrierten uns auf eine Hand voll reicher Geschäftsleute in Brooklyn, vor allem auf zwei Leute.“
„Wer waren diese zwei?“
„Der eine war Aleksei Chekhov, ein ehemaliger KGB-Spion, der für seine Brutalität und Unbarmherzigkeit bekannt war. Ihm gehören ein Hotel und mehrere Restaurants in Brighton Beach. Dem Anschein nach führt er ein mustergültiges Leben.“
„Dem Anschein nach?“
„Soweit ich weiß, steht Aleksei nach wie vor unter Verdacht.“
„Und der andere?“
„Sergei Chekhov, sein jüngerer Bruder. Er ist der Geschäftsführer des Seaside Hotel.“
„Auch ehemals KGB?“
„Nein, Sergei war beim Militär. Ausgezeichnet im Tschetschenien-Krieg, kehrte schwer verwundet nach Hause zurück. Er quittierte den Dienst und wanderte kurz darauf in die USA aus. Ihm folgte Boris Chekhov, ein Onkel der beiden, der ebenfalls ehemaliger KGB-Agent ist und heute zwei von Alekseis Restaurants führt. Unsere Ermittlungen waren reine
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