Duftspur
ihren fruchtbaren Tagen. So genau wollte ich das gar nicht wissen. Jetzt ist die Zeitungsseite voll saftigem Abfall, die erste Schüssel Pflaumen ist entkernt.
Pünktlich zur Kaffeepause bin ich mit dem Steinobst fertig. Meine Finger sind dunkelrot verfärbt und schrumplig vom Saft. Ganz schön klebrig das Zeug. Der Gedanke bringt mich zurück zum klebrigen Duft des Fliegentods.
Ich werde die Pause nutzen, um den Test für heute noch anzubringen. Doch frage ich mich beim Händewaschen, welcher Art die Haupt- und Nebenwirkungen der Essenzen auf mich und mein näheres Umfeld sein könnten. Auf dem Weg zum Hungerturm ruft mir Jörn noch zu, dass ich direkt nach der Pause die Fenster der Zimmer im Vogeltrakt putzen müsse. Kurzfristig habe sich eine Kuschelseminar-Gruppe angekündigt. Ich nicke im Gehen, registriere erst vor der Turmtür, für wessen klare Sicht ich sorgen soll und schmunzle still vor mich hin. Auf der dritten Stufe zum Turmeingang höre ich ein Rumoren aus dem kargen Rund. Ein Eimer scheppert. Irgendetwas veranlasst mich, jetzt nicht durch die Tür zu gehen, sondern in Deckung, um zu sehen, wer da wütet. Geräuschlos husche ich die Stufen wieder hinab und drücke mich in den engen Winkel unter der Steintreppe an die Mauer. Feigling, motzt Kalle. Nix da, Stratege, entgegne ich, erst mal abwarten und das Gefahrenpotenzial der Person abschätzen, die dort etwas zu suchen scheint. Ich muss nicht lange warten, die Tür geht auf und Greta rennt die Stufen hinunter. Gerade als ich mich aus der Deckung begeben und sie konfrontieren will, sehe ich eine Lady in Blue den äußeren Burghof betreten. Luca, das Früchtchen, stapft mit weit ausladenden Schritten auf Greta zu. Die beiden sind so mit sich selbst beschäftigt, dass ich die Gelegenheit nutze und mich aus der Treppendeckung wage und mich vor dem Turm zwischen einen Baumstamm und die dicke Außenmauer drücke. So kann ich sie besser beobachten, sie aber mich nicht. Puh, das war keine gute Entscheidung. An meinem neuen Standort haben sich seit der Burgübernahme durch derer von Sayn Hundertschaften männlicher Sprosse aus dem Geschlecht des Grafen Heinrich IV. erleichtert und besitzergreifend ihre Reviergrenzen markiert. Ich fall in Ohnmacht! Reiß dich zusammen, schnauzt Marie, genau wie damals, nachdem sie mich mit dem Renault angefahren hatte und ich zwischen Hauswand und Stoßstange schreiend zwei Miniskusoperationen auf mich zukommen sah. Weiber! Dass Marie links und rechts nicht unterscheiden konnte, fand ich ja teilweise noch niedlich, doch bei der Verwechslung von vorwärts und rückwärts hört der Spaß auf. Ich kämpfe gegen die aufsteigenden Tränen der durch Harnsäure verseuchten Luft. Ich sehe Arme rudern, höre Wortfetzen vorbeiwehen, die ich nicht verstehe, sehe Köpfe wütend schütteln und Schultern vorwurfsvoll zucken, vernehme einen deftigen Fluch und eine rüde Beschimpfung. Dämliche Kuh ist noch das harmloseste aus Lucas Mund. Die Kuh holt aus und eine schallende Ohrfeige höre ich als nächstes. Greta stapft eilig davon, Luca hält sich die Backe und rennt in die andere Richtung, in meine. Jetzt wäre ich gern ein Chamäleon, denn wenn Luca nur ein bisschen umsichtig ist, muss sie mich hier sehen können. Doch ich habe Glück, sie erstürmt die Treppe zum Hungerturm, den Blick geradeaus und, ich ahne es, von Tränen verschleiert, knallt sie die Tür hinter sich zu. So, jetzt hab ich dich! Ich springe die Treppe hinauf, mir entgegen schnellt die Holztür, die nach außen aufgeht und auf halbem Wege treffen wir uns. Im Tür-vor-den-Bug-Kriegen bin ich nun schon so was wie ein Profi, daher gerate ich nur kurz ins Straucheln. Der Überraschungseffekt ist zudem auf meiner Seite, denn Luca hat nicht mit mir gerechnet. So kann ich sie überrumpeln und ins Innere des Turms drängen. Stolpernd landen wir auf meinem Bett.
»Super«, keucht sie unter mir hervor. Finde ich auch, gluckst Kalle.
»Geh runter!«
»Ne, ich lieg grad so bequem«, entgegne ich. »Hast du eigentlich eine Ahnung, wie viel Ärger du mir und Alfons bereitest?«
»Verpiss dich«, jappst sie unter mir hervor. Ich richte mich auf, bleibe aber beharrlich auf ihr hocken und halte sie fest.
»Was für ein Film läuft hier?«, will ich wissen.
»Geht dich nichts an. Besser für dich.«
»Ich kann selbst für mich entscheiden, da brauch ich keine blaue Göre mit rotem Fünffingerabdruck auf der Backe ...«
Es klopft an die Tür. Wir verstummen und horchen.
»Alles
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