Duftspur
jemanden. Wo habe ich den schon mal gesehen?
Hoffentlich ist weder Jörn noch die Halbtagssekretärin da. Wenn jemand etwas davon wissen sollte, dass Luca vorhatte hier zu arbeiten, dann höchstens die beiden. Die Glastür fällt ins Schloss. Das Büro ist also offen. Vorsichtig pirsche ich mich ran. Den Stimmen entnehme ich, dass Tina, oder ist es Lisa, da ist und den Kerlen eine Auskunft erteilt. Nein, es wären keine Zimmer mehr frei, nein, auch Personal wäre genug da, nein, eine blaue Frau wäre nicht hier, das wäre ihr aufgefallen. Klar, wenn sich etwas ändere an der Zimmerbelegung, würde sie sie gerne informieren. Einer der Kerle sagt eine Handynummer. Sie könnten es in der Pension zum Giebelwald probieren, sagt das Mädchen noch, bevor sich die Tür wieder öffnet und die Mustang-Männer in den Flur treten. Im Schein einer Neonröhre sehe ich, der ich mich hinter einem Regal mit sauberer Bettwäsche verberge, deutlich ihre derben Gesichter, deren Züge Geschichten von Entbehrung, Härte, tiefer Traurigkeit und gut 20 Jahren Drogenkonsum erzählen. Die Hengste sind mit Sicherheit zehn Jahre jünger als ich, haben aber mit der gleichen Sicherheit schon zehn Mal öfter aus der Jauchegrube getrunken. Da fällt mir ein, dass ich meinen Dufttest immer noch nicht angebracht habe für heute. Ist vielleicht auch besser so. Eine wie auch immer entartete Duftwolke würde mich sicher verraten. Im welligen Glas einer Fotografie an der Wand gegenüber spiegle ich mich länglich verzerrt. Der eine von den Kerlen aus dem Mustang könnte der Schlaks gewesen sein, den Alfons vom Hof geschüttelt hat. Konzentriert versuche ich, mir das Bild der Szene ins Gedächtnis zurückzurufen, komme aber zu keinem klaren Ergebnis.
Solange Luca im Schrank hockt, kann sie nichts anstellen. Ich muss mich eh hier verdrücken, bevor die beiden mich doch noch entdecken. Also husche ich hurtig zum Hauptausgang, flitze durch die Höfe Richtung Turm. Dabei mache ich noch einen schnellen Abstecher zum Parkplatz, um mir den Wagen etwas genauer anzusehen. Vielleicht ist er ja offen. Autos verraten viel über ihre Besitzer. Ich hatte da mal so einen gelackten, beinahe knitterfreien Chef, dessen Auto war ein Müllplatz. Im Fußraum der Beifahrerseite lagen Zeugen seiner Singleernährung. Apfelkrutzen, Bananenschalen, Coladosen, McDonalds-Schachteln, Müsliriegel, Kümmerling. Die Rückbank war sein Kleiderschrank, in dem selbst im Sommer Norweger lagen, von der Mama gestrickt. Als am Wunderlichsten habe ich in dem Sammelsurium eine Wärmelampe empfunden. Der Mustang jedenfalls ist sauber. Wie frisch von der Autovermietung. Der Wagen ist bestimmt gepimpt. Er hat sogar GPS mit einem, nein, zwei Monitoren, einer vorn und einer hinten. Das Interieur ist wahrscheinlich sogar originalgetreu nachempfunden. Die Sitze sind mit elegantem neuem, tanngrünem Leder mit hellen Nähten bezogen, der Fußraum ist mit einem beigen Teppich ausgeschlagen und das Lenkrad ziert dunkelgrüner Velours. Die Mittelkonsole beherbergt einen CD-Player mit Wechsler. Dass hier Menschen drin waren, ist lediglich an einer leeren Milchschnittenverpackung auf der Rücksitzbank zu erkennen.
Ich meine etwas wie Hufgetrappel zu hören. Es sind die zwei Männer, die mit ihren chicen Schuhen über das Pflaster klappern. Sie nähern sich dem Mustang und ich entschließe mich, einen Satz über den desolaten Zaun zu tun und mich im Burggraben zu versenken, der schon lange kein Wasser mehr führt. Am Wagen unterhalten sie sich kurz. Mist, ich verstehe kein Wort, die reden französisch. Die Sprache habe ich schon in der Schule gehasst, oder war es mehr der Unterricht oder gar die Unterrichtende, die alle Namen meinte französisch aussprechen zu müssen. Versuchen Sie das mal mit Heiner. Grausam. Kein Wunder, dass ich ratzfatz von einer Drei auf eine Sechs gekommen bin. Jetzt gäbe ich was drum, die Kerle verstehen zu können. Außer ›blö‹ kann ich nichts zuordnen, doch es scheint gewiss, dass sie damit Luca meinen. Dann schnappe ich noch den Namen Michelle auf und etwas, das ich mit Nacht übersetze. Die beiden steigen ein und verlassen den Parkplatz. Doch sie werden wiederkommen, dessen bin ich sicher.
28
Frisch eingestänkert und die Haare wieder mit Annegrets rosa Puschelband zusammen gebunden, erklimme ich die Stufen zur Vogeletage. Diesmal riecht der zu testende Duftstoff sogar angenehm herb. Fast so wie das Deo, das ich benutze. Für den aktiven Mann. Als ich den
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