Duftspur
in Ordnung?«, ruft es von draußen rein. Es ist die Stimme von Kurt.
»Klar«, rufe ich zurück. »Ich komme sofort.«
»Wird auch Zeit. Die Kuschler kommen in einer Stunde.«
»Spakken, alles Spakken«, nölt Kurt noch im Weggehen. Ich beschließe, das auf die Kuschler zu beziehen und nicht persönlich zu nehmen. Und wo ich gerade so entschlussfreudig bin, kommandiere ich: »Du kommst mit. Fenster putzen. Wäre ja eh dein Job. Dabei kannst du mir dann in aller Ruhe erzählen, was du in Michaels Sachen zu suchen hattest.«
»Gar nix werd’ ich«, mault das blaue Ding. Doch sie hat keine Chance. Ich schleife sie mit eisernem Griff aus dem Turm, über den Hof, hinein in den Raum mit den Putzutensilien. Eimer, Lappen, Ledertuch und Fensterklar drücke ich ihr in die manikürten Hände.
»Passt doch prima zu dir«, sage ich lächelnd und tippe mit dem Finger auf die blaue Reinigungsflüssigkeit.
»Ab«, dirigiere ich sie knapp durch die Burg, die Treppen hinauf bis in den Vogeltrakt. Immer, wenn sie einen suchenden Blick nach hinten wirft, sieht sie nicht mehr als meine eisblauen Augen. Mit meinem Atem im Nacken unternimmt sie keinen Fluchtversuch. Auch dann nicht, als eine jugendliche Fußballmannschaft an uns vorüber stürmt. Wir sind am Ziel im Vogelflur, Zimmer Spatzennest und sie ist tatsächlich mit mir in einem Raum. Sie ist nicht entwischt und mir ist es gelungen das flatterhafte Wesen einzufangen. Meine herrische, keinen Widerspruch duldende Art hat mich selbst überrascht. Alte Schule. Ich glaube, meine Mutter hat eben aus mir herausgekeift. ›Ab und vor mir her‹, so hat sie mich durch die halbe Kindheit geschoben, in den Kindergarten, die Sonntagsschule, die Krippenspiele, den Flöten- und Konfirmandenunterricht. Später hat sie den Stab an Marie weitergereicht, die mich dann vor den Tisch des Standesbeamten schob. Stopp, sage ich mir, selbst dran Schuld ... zum Teil. Kalle wird ungeduldig, los, nun quetsch die Wahrheit aus ihr raus, erinnert er mich. Aufgerichtet und so breitflächig wie möglich, stelle ich mir vor, gehe ich einen Schritt auf Luca zu.
»Versuchs erst gar nicht.« Luca ist wohl wieder obenauf. Was denkt die von mir?
»Ich will wissen, wo du gewesen bist und was du heimlich im Turm zu suchen hattest«, bleibe ich unbeirrt, drehe mich ein wenig von ihr weg zum Fenster hin und klatsche das Leder gegen die Scheibe.
Luca scheint nachzudenken, während sie mit dem Lappen im Putzwasser spielt und damit kleine Kreise zieht.
»Ich war hier mit jemandem verabredet.«
»Ja, mit dem Burgherrn und mir und zwar zum Arbeiten.« Jetzt versau’s nicht, mahnt Kalle. Recht hat er und ich tue mal so, als wüsste ich was:
»Michael, nicht wahr?« Sie nickt und blickt dabei ein wenig traurig. Ich öffne das Fenster, welches ich gerade bearbeite und von draußen klingt ein sattes Motorengeräusch zu uns hinauf. Das habe ich doch schon mal gehört. 220 Pferde, der Mustang. Von hier kann ich nicht auf den Parkplatz vorm Tor schauen. Doch ich könnte wetten, dass der Sound zu dem Mustang gehört. Luca hat es auch vernommen und entfernt sich von der Fensterfront. Unten erstirbt der 302er Motor, vorausgesetzt, der Oldtimer hat noch den Original F-Code Motor mit Automatikgetriebe. Der Wagen steht jetzt wahrscheinlich auf dem Parkplatz. Luca schiebt sich langsam an der Wand lang in Richtung Ausgang. Wenn ich meinen Blue-Babysitter-Job hier gut machen will, wäre es besser ihr Vertrauen zu gewinnen. Also schlag ich mich auf ihre Seite.
»In den Schrank«, weise ich sie an. Welch Überraschung, sie gehorcht, steigt in den Schrank, ich schließe ab und stecke den Schlüssel ein. So, die wäre hier erst mal sicher aufgehoben. Was genau hast du jetzt vor, will Kalle wissen. Das weiß ich nun leider auch noch nicht präzise. Am besten, ich setze auf die Idioten-Nummer. Das liegt mir bekanntermaßen. Blöd stellen. Falls ich den Männern über den Weg laufen sollte, werde ich einen verwirrten Greis mimen. Ich nehme das Rosapuschelteil aus meinem Haar, verstrubble mich ein wenig, kontrolliere meine Erscheinung in der Spiegelung eines Wildentenbildes und stelle fest: passt. Ein dümmlich naives Grinsen zur rechten Zeit hat mir schon aus mancher Klemme geholfen, bis auf ein paar Ausnahmen, na, vielleicht waren es auch mehr als ein paar.
27
Ich haste durch das Treppenhaus nach unten. Gerade sehe ich noch die zwei Typen zum Büro der Herbergsleitung abbiegen. Die Figur des einen Mannes erinnert mich an
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