Duftspur
zurück, wobei Greta sich verschluckt und wie eine beinahe Ertrunkene ausgiebig husten muss. Ich habe Zeit, warte bis ihre Luftröhre wieder frei ist und reiche ihr vom Tresen eine Serviette mit Sonnenblumenmotiv.
»Also, noch mal zu den seltsamen Vögeln. Ist dir ein blaues Mädchen aufgefallen?« Mit dem Papiertuch tupft Greta sich die Tränen ab, die ihr der Verschlucker in die Augen getrieben hat. Ihr kleines Gesicht ist hinter dem großen, gelben Sonnenblumenfeld nicht mehr zu sehen. Die Art ihrer Gefühlsregung kann ich lediglich am zornigen Pulsieren der Halsschlagader ermessen. Sie schüttelt auf meine Frage hin den Kopf und bleibt währenddessen unter dem saugstarken Zellstoff versteckt.
Die Elfe gönnt sich eine Kurtpause und kommt zu uns an den Tisch, fragt, ob wir noch etwas brauchen. Klar, Klarheiten brauche ich, denke ich und bitte darum, telefonieren zu dürfen. Sicher, sagt sie, ich solle auf dem Block neben dem Telefon eine neue Spalte, gleich hinter Gretas Namen, aufzeichnen, meinen Namen drüber schreiben und lediglich vermerken ob es ein Orts- oder Ferngespräch ist. Abgerechnet werde am Schluss. So ist es wohl immer, sinniere ich und mache mich an die Vorbereitungen Alfons anzurufen, denn Gretas Auskunftsfreude scheint nicht zuletzt im erstickenden Husten untergegangen zu sein. Sie gibt sich keine Mühe ihr Gähnen zu verbergen, während ich einen dicken Strich zwischen ihrem und meinem Namen auf der Liste ziehe. Die Reportage im Fernsehen endet mit anklagenden Walgesängen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Greta die angetrunkene Flasche Bier ergreift und versucht, gelassen in die Runde zu blicken. Die freie Hand hebt sie zum Abschiedsgruß in die Höhe und mehr fluchtartig statt ruhig hechtet sie die Treppe hinauf, zwei Stufen auf einmal nehmend. Soviel Trittsicherheit hätte ich dem zierlichen Figürchen nach etlichen Halben nicht mehr zugetraut. Selbst die Elfe schaut ein wenig überrascht, wenn ich ihre Augenbrauenzuckung richtig einordne.
Die hättest du erfolgreich vertrieben, mault der Jungdetektiv in mir. Das Telefon ist eines dieser alten Dinger mit Wählscheibe, die man heute nur noch auf staubigen Dachböden, Flohmärkten oder in Requisitenkammern findet. Alfons’ Nummer ist elfstellig mit einigen Neunen und Achten drin. ISDN für die schnellere Verbindung. Der Drehscheibe ist das egal, sie hat ihren eigenen Takt. Konzentration, jetzt bloß nicht am Ende noch verwählen.
31
Bei Alfons müsste es jetzt klingeln. Es tutet neun Mal. Ich glaub, ich leg auf. In der halben Abwärtsbewegung meines Armes erhört mich doch noch jemand. Es ist Bille. Ich wundre mich, dass sie dort ist. Sie müsste längst in der Falle liegen und ihrer Zimmergenossin einen Dinner for one Monolog halten.
»Hallo Bille, hier spricht Heiner. Wo ist Alfons?«, frage ich sie.
»Wer?«, fragt sie mich.
»Alfons, euer Alfons«, wiederhole ich.
»Nein, sag wer du bist. Ich darf nicht mit jedem reden«, erklärt sie und mir fällt ein, dass sie mich so gut wie nie Heiner genannt hat.
»Ich bin dein Engel«, starte ich einen zweiten Versuch.
»Mein Name ist Bond, James Bond«, brummt eine tiefe Stimme aus dem Hörer. Meine Güte, wer hat sie denn das gucken lassen?
»Hallo mein Engel«, sagt sie erfreut, bevor ihre Stimme umschlägt: »Zuerst deine Information, dann meine, so läuft der Deal und nicht anders. Also spuck’s aus: In welchem Rattenloch hast du dich verkrochen?« Ich muss dringend mit Alfons reden, mein Eindruck, dass Bille ungehinderten TV-Zugang hat, verschärft sich.
»Ich bin Ritter auf einer Burg«, gebe ich ihr die geforderte Auskunft.
Jetzt kichert sie: »Das ist lustig. Dann pass aber auf, denn der Alfons wollte losziehen und einen feuerspeienden Drachen töten, auch auf einer Burg. Aber ich soll nichts verraten – also psst.«
»Gnädiges Burgfräulein, Sie können sich auf mich verlassen. Meine Lippen sind versiegelt und husch, nun schnell in Ihr Gemach. Der König soll Sie doch nicht hier erwischen«, flüstre ich. Klack. Sie hat abrupt aufgelegt, wie es ihre Art ist. Alfons hat zu diesem Bille typischen Verhalten einen zehnseitigen Bericht verfasst. Ich habe den Verdacht, dass sie immer dann abbricht, wenn es ihr zu blöd wird. Ich sollte auch abbrechen. Heute scheint mir nichts mehr zu gelingen. Mit Kurt wollte ich noch sprechen, doch ein Blick in seine unterlaufenen Augen sagt mir, dass der Zeitpunkt höchst unpassend ist.
Nä, wat sein isch möh. Ich gähne
Weitere Kostenlose Bücher