Duftspur
den Beinen, so dass sie vom Bett plumpst und die Flasche aus ihrer Hand fällt.
»Du wirst mir jetzt sofort sagen, was mit dir los ist!«, belle ich sie an.
Schützend hebt sie einen Arm über ihren Kopf, mit dem anderen stützt sie sich vom Boden ab. Ich greife nach ihrem Beutel, um den sie vor fünfzehn Minuten noch gerungen hat. Ganz schön schwer das Ding. Sie will sich auf mich stürzen, doch ich schubse sie um. Gleichzeitig kippe ich den Inhalt des Leinensacks auf das Bett. Im flackernden Licht erkenne ich eben jene grauen Steine, denen ich schon öfter begegnet bin in der jüngsten Zeit. Außer diesen Dingern flattern 500-Euro-Scheine aus dem Beutel. Soviel Geld habe ich noch nie gesehen.
»Was ist das hier?«
Fahrig und wütend stopft Luca, die sich wieder aufgerappelt hat, alles in den Sack zurück.
»Startkapital«, gibt sie trotzig zur Antwort.
So geht das nicht, mischt sich der Advokat ein. Du musst ihr Vertrauen gewinnen. Zeig dich gütig, immerhin bist du ihr Schutzengel.
35
I ch bin aber kein Aufpasser, kein Sozialpädagoge. Ich bin Blechschlosser Heiner und stinkwütend auf die strunzdumme Kuh! Seit ich geschieden bin, war ich nicht mehr so wütend wie jetzt. Ich erkenne mich gar nicht wieder, sehe aus einer dritten Perspektive, wie ich Luca bei den Schultern packe und sie derart schüttle, dass nur die Worte der Wahrheit aus ihr hinauspurzeln müssen. Weit gefehlt. Sie fängt an zu flennen. Ich komme wieder zur Besinnung. Das eben noch so abgebrühte Ding heult plötzlich Rotz und Wasser. Ich gebe es auf, lasse sie abrupt los und sie sinkt auf das Bett, hinein ins Gestein und die Scheine. Okay, ich kann es versuchen, die sanfte Tour, und überlege, wie Alfons auf Menschen im Ausnahmezustand zugeht. Ich konnte ihn einmal dabei beobachten, wie er eine Mutter beruhigte, die ihr Kind in der Werkstatt abgab und deren Mann gerade seine Koffer packte, Reisedaten: einfacher Flug, Business Class, zwei Plätze, Zielflughafen: Rio de Janeiro. Ihre Koffer verstaubten auf dem Schrank. Alfons setzte sich ganz ruhig hin und ließ sie weinen. Das soll wohl so was signalisieren wie: egal wie dreckig es dir geht, bei mir darfst du deinen Gefühlen freien Lauf lassen. Ich setze mich so ruhig es meine innere Aufruhr zulässt neben Luca und lass sie weinen. Dann, als die Mutter nur noch schluchzte, reichte Alfons ihr eine Schachtel mit solchen weißen Softtüchern. Lucas Weinen wird leiser, doch ich habe keine Softtücher. Ich nehme eine weiße Feinripp mit Eingriff von Michael, hoffentlich gewaschen, und reiche sie ihr. Dankbar, mit einem zaghaften Lächeln nahm die Mutter die Tücher an, erhob sich, ging zum Fenster herüber, schnaubte sich ladylike und erzählte Alfons alles. Luca greift nach dem Stück Stoff und schnäuzt sich geräuschvoll. Nach Plan müsste sie mir gleich alles erzählen. Ich schweige, hebe die Flasche Wasser vom Boden auf und gebe sie ihr. Sie trinkt einen großen Schluck und beginnt zu reden.
»Die Steine da«, sie zeigt auf die gräulich gesprenkelten Brocken, »sind nur eine Art Andenken.«
Ich habe das Gefühl, dass sie lügt. Ich auch, sagen Kalle und der Advokat gleichzeitig.
»Die gehören Michael. Er handelt damit.« Ich greife mir einen davon. Wie Schmucksteine sehen sie nicht aus, sie fühlen sich auch anders an. Ich reibe daran und meine, einen würzigen Duft wahrzunehmen.
»Das ist Amber«, erklärt sie. Amber, davon habe ich doch neulich schon mal gehört. Das hatte doch was mit Walen zu tun.
»Echter grauer Amber, der ist teuer und fällt unter das Washingtoner Artenschutzabkommen. Manchmal findet man ihn auch am Strand, zum Beispiel in Neukaledonien. Ich war noch nie weiter weg als bis in die Dolomiten«, jetzt seufzt sie, ich räuspere mich und sie fährt fort: »So große Mengen kommen aber nicht legal im Handgepäck zu uns, wie die, um die es hier geht. Illegale Walfänger finden hin und wieder Amber im Darm der geschlachteten Tiere und wollen dann ihr Geschäft machen. Wusstest du, dass ein Pottwal bis zu 400 kg Amber in sich haben kann? Der Handel damit ist eigentlich verboten.«
Was heißt in dem Zusammenhang eigentlich ›eigentlich‹? Ein Kilo davon kostet 8000 Euro, fällt mir ein Teil der Reportage wieder ein, die ich im Café gesehen habe. Ich versuche mich zu erinnern, ob Alfons die gebeutelte Mutter unterbrochen hat, um Fragen zu stellen. Nein. Nein, rät auch der Advokat, lass sie weiterreden.
»Amber ist seit der Antike bekannt. Er wird als
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