Duftspur
Scheit, mit dem ich die Tür verkanten kann. Außerdem wäre ich von dort aus noch schnell genug an der Hungerturmtür, sollte sich das blaue Köpfchen an die Luft wagen, bevor ich sie daran hindern kann. Leise schleiche ich raus. Des Blechschlossers Blick ist scharf und ich vermesse mit den Augen den Schlitz unter der Tür, zur Sicherheit kann ich ja auch noch die Fingerprobe machen. Vom kleinen Finger passt nur das erste Glied unter die schwere Holztür. 6,5 mm gequetscht. Eilig begebe ich mich auf die Suche nach einem passenden Keil. Ich finde ein Hölzchen und auch einen Stein, schiebe beides unter den Schlitz, teste die Türblockade, die sitzt. Hin und wieder muss auch mal was auf Anhieb klappen, freue ich mich kurz.
Unten bei den Seen ist alles ruhig im Flur. Ich habe die freie Duschwahl. Während heiß das Wasser über meinen Schädel rinnt, den Rücken hinab bis an die Zehen, überlege ich, wen ich ins Vertrauen ziehen könnte, zumindest teilweise. Ausschlussverfahren. Greta kommt nicht in Frage, ein Auge auf Luca zu werfen, die würde noch ganz andere Dinge auf sie schleudern. Kurt vielleicht. Je nachdem in welchem Stadium von Liebeskummer er sich befindet. Der Kirmesmensch wäre verschlagen genug auf das Mädchen aufzupassen, doch traue ich ihm nicht. Der hängt ja wahrscheinlich irgendwie mit drin. Beim Einschäumen muss ich an das Geflüster im Transporter denken. Andererseits käme eventuell Bewegung in die Angelegenheit und ich könnte überprüfen, wer mit wem kungelt und ob Luca lügt. Denn irgendwas hatte Udo sicher mit Michael zu mauscheln. Hättest du die Möglichkeit alle Verdächtigen zu verwanzen und dazu ein gescheites Abhörteam, dann könntest du diese brisante Konstellation ›Udo & Luca‹ überwachen. Aber du bist alleine und daher ist das Zusammenbringen zweier nicht vertrauenswürdiger Objekte zu riskant, resümiert Kalle. Wer nicht ahnt, was passieren kann, wenn man einen Furz mit einer offenen Flamme in Berührung bringt, sollte den Versuch unterlassen, fügt er an. Ganz schön auf Zack der Junge am frühen Morgen. Abspülen. Der Schaum fließt an mir runter. Rauf, denke ich. Ich könnte mich nach oben wenden, nein, nicht betend, ich denke da an Jörn. Jörn scheint mir integer. Er ist Sozialpädagoge, kennt Alfons und weiß um die Probleme mit solchen Fällen wie Luca. Könnte jemand, der ausschaut wie Günter Netzer ein falscher Fuffziger sein? Ui, beim Abdrehen des Wassers habe ich zuerst den kalten Hahn erwischt. Halbseitig verbrüht werfe ich mich in meine frischen Sachen. Immerhin bin ich den Geruch des brennenden Hauses los, dabei überläuft es mich heißer als eben. Der Gedanke, dass da unten jemand verbrannt sein könnte ...
»Hallo, ist hier jemand?« Ich wickle meine rußigen Klamotten ins nasse Handtuch, trete vor die Tür des Sanitärraums und stehe Jörn gegenüber. Ein Wink des Schicksals.
»Morgenstund’ hat Gold im Mund?«, fragt er fröhlich. Mir fällt daraufhin der Spruch mit dem guten Gewissen und sanften Ruhekissen ein. Noch so eine ungeliebte Weisheit aus dem Munde meiner Erzeuger, mit der ich aufgewachsen bin.
»Jörn, kann ich offen mit dir sprechen?«, frage ich und überlege, wie offen ich sprechen kann. Noch immer stehen wir im Eingang zur Nasszelle.
»Klar, solange du keine Lohnerhöhung willst oder bessere Arbeitsbedingungen«, lacht er. Beim Anblick meines Gesichtsausdrucks bleibt ihm der Frohsinn im Halse stecken. Seine Mundwinkel rutschen langsam in ihre Ausgangsposition.
»Ich weiß nicht, wie viel Alfons dir über die Aushilfen erzählt hat, die er dir schicken würde. Ich bin jedenfalls hauptsächlich deswegen hier, um ein Mädchen namens Luca im Auge zu behalten, die ursprünglich den zur Verfügung stehenden Job antreten sollte. Alfons sagte mir, dass ich natürlich auch hier arbeiten soll, doch eben gleichzeitig auf sein Sorgenkind aufpassen muss. Doch wie du gemerkt hast, kam nur ich an und mir schien es, als hättest du nur eine Person erwartet«, ich mache eine abwartende Pause, in der ich mir mit dem jetzt leicht gräulichen rosa Puschelgummi die Haare zusammenbinde. Jörn ist ganz Ohr.
»Jetzt ist das Mädel da und hat Probleme mitgebracht und sie sieht nicht so aus, als wolle oder könne sie nützlich sein. Ich will sie Alfons übergeben, soll er sich drum kümmern, denn ich brauche diesen Job hier. Ich bin kein Sozialarbeiter, wie du weißt.«
Jörn scheint ungeduldig zu werden und fragt: »Und?«
»Ich brauche zunächst
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