Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
letzten Jahren. Für mich war es, als malte er ein Stück meines Lebens nach, dass ich verpasste hatte. In seinen Erzählungen nahmen mein Papa, Mama, die Pferde und der Hof einen großen Teil ein. Es tröstete mich, heilte ein wenig den traurigen Gedanken, dass ich sie im Stich gelassen hatte. Er war für sie da gewesen, und er gab mir das Gefühl, dass ich auch dabei gewesen war. Ein wenig seltsam fand ich es allerdings schon, dass er sich so intensiv um sie gekümmert hatte. Henning hielt Abstand von mir. Ich entspannte mich allmählich. Schließlich waren wir mit allem fertig. Ich drehte meinen Kopf im Nacken, der ein wenig verspannt war von dem Tag. Mein Haar war noch immer in der Hochsteckfrisur gefangen, und ich spürte die Nadeln. Ich griff in meine Haare und wollte die Nadeln rausziehen.
„Tu das nicht.“ Das kam ganz leise. Henning sah mich an, und ich hielt in der Bewegung inne. Erleichtert stellte ich fest, dass zwei Schritte Abstand zwischen uns waren. Seine Augen waren tiefschwarz, mein Herz begann zu klopfen. Warum reagierte ich auf einmal so heftig auf Henning? In meinem Bauch kribbelte es, als würden sich Ameisen bereit machen für eine Wanderschaft. Henning stand am Spülbecken, und ehe ich reagieren konnte, flog mir ein feuchter Schwamm ins Gesicht. Ich schnappte wütend nach Luft. Starrte auf meine weiße Bluse, die Spritzer von Spülwasser aufwies.
Ich nahm den Schwamm und warf ihn zurück. Leider traf ich nicht, weil Henning sich viel zu schnell geduckt hatte. Mit einem Platsch landete er wieder im Spülbecken. Ein taktischer Fehler, denn Henning griff nun zum zweiten Mal danach.
„Lass das, du bist echt kindisch“, versuchte ich eine Ablenkung, damit ich mich in Sicherheit bringen konnte. Doch der Boden war feucht von dem glitschigen Spülwasser, ich rutschte aus und landete auf dem Hintern. Dabei machte ich wohl eine so komische Figur, dass Henning in Lachen ausbrach. Mit einem Anflug von Panik kontrollierte ich den geliehenen Rock und war froh, dass alles heil geblieben war. Gutes Material eben.
„Ha, ha, ha“, versuchte ich, das Lachen von ihm zu durchbrechen, sah ihn an und konnte nicht anders als mitlachen. Ich musste so lachen, dass mir die Tränen über die Wangen liefen. Sich auf die Lippen beißend stand Henning vor mir und reichte mir seine Hand.
„Zeig mir erst die andere“, verlangte ich. Er tat mir den Gefallen, sie war leer. Ich nahm seine Hand, er zog mich mit Schwung hoch, direkt in seine Arme. Mein Herz klopfte, die Ameisen stürmten durch meinen Körper. Ich schloss die Augen, lehnte meine Stirn völlig überwältig an seine Brust. Spürte die Wärme und das Klopfen seines Herzens.
„Bum bum, di bum, bum bum di bum“, flüsterte ich leise. Er legte seine Hand um meine Taille und drückte mich fester an sich. Die andere strich vom Rücken hinauf in meinen Nacken. Ob einem das Herz stehen bleiben konnte vor lauter Verlangen, schoss es mir durch den Kopf? Ich spürte, wie es durch seine Berührung kurz den Rhythmus verlor. Ich lehnte an ihm, seine Hand hatte mein Gesicht erreicht und wanderte den Wangenknochen entlang unter mein Kinn. Er hob es an, beugte sich hinunter, und seine Lippen streiften sanft die meinen. Darauf war ich nicht vorbereitet, mein Verstand setzte aus. Ich schlang beide Arme um seinen Nacken, öffnete mein Mund und küsste ihn. Zuerst erwiderte er den Kuss, dann ließ er mich los, löste meine Hände aus seinem Nacken und drängte mich ein Stück zurück, bevor er mit der einen Hand wieder meine Taille umfasste und die andere erneut unter mein Kinn schob. Ich hielt meine Augen weiterhin geschlossen, aus Angst vor dem, was ich in seinem Gesicht sehen könnte. Meine Wangen glühten rot. Wie hatte ich mich nur so gehen lassen können. Zum Glück war er vernünftig geblieben, nein, es war kein Glück, ich wollte ihn. Jetzt.
„Sieh mich an, Vera.“ Das klang nicht vorwurfsvoll, auch nicht spöttisch. Es klang anders. Zögernd öffnete ich die Augen und sah in sein Gesicht, das meinem ganz nahe war. Seine Augen waren tiefschwarz, sie glühten, verbrannten mich. Gleichzeitig las ich darin eine Unsicherheit, die mich überrascht. Er sah mich an, studierte aufmerksam mein Gesicht. Sein Mund vertiefte sich zu einem Lächeln. Die Unsicherheit verschwand. Seine Hand löste sich von meinem Kinn, strich mir von der Stirn zur Nasenspitze und wieder zurück. Folgte meiner Augenbraue, wanderte meinen Wangenknochen entlang zum Mund. Mein Atem setzte aus. Er
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