Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
bereits nach kurzer Zeit wieder leeren und neu bestücken. Bei dem Geschirr hatten wir nicht unser eigenes benutzt, aber ich wollte Matthias keine dreckigen Sachen mitgeben. Außerdem war mir im Moment nicht nach schlafen zumute.
Nach ein paar Spülgängen war ein großer Teil der Arbeitsflächen geräumt. Ein ordentlicher Stapel von Geschirr stand auf der Anrichte bei der Spülmaschine, ein bunt gemischter Haufen von Schüsseln, Platten und Gläsern hatte sich neben dem Spülbecken aufgetürmt. Ich drehte mich um und sah eine Thermoskanne Tee auf der Küchentheke stehen. Ein Lächeln rutschte mir heraus, die Kanne erinnerte mich an Mama. In diesem Augenblick sehnte ich mich so sehr nach ihr, wie in all den Jahren nicht, wo ich einfach abgehauen war und meine Eltern hinter mir gelassen hatte. In diesem Moment wurde mir klar, wie sehr ich beide liebte. Sie waren ein Teil meines Lebens, und ich würde sie nicht mehr ausgrenzen. Ich ging zu der Kanne und schüttelte sie. Sie war tatsächlich voll. Der Tee und eine kurze Pause waren genau das, was ich brauchte. Ich schüttete mir den Tee ein, der aromatisch nach Kräutern duftet. Meine Hände umschlossen den heißen Becher, ich schloss die Augen und zog mit der Nase den warmen Duft ein. Allein das ließ mich wohlig entspannen.
„Vorsicht, der ist für Selina“, sagte eine Stimme hinter mir. Heißer Tee schwappte über meine Hand. Erschrocken stellte ich den Becher ab, bevor er meinen Fingern entgleiten konnte. Henning stand in der Küchentür. Er hatte die Jacke ausgezogen, die obersten Knöpfe seines Hemdes waren geöffnet. Seine linke Schulter lehnte an dem Rahmen, die Füße hatte er gekreuzt. Er lächelte mich an.
„Mann, hast du mich erschreckt. Wegen dir habe ich mir die Finger verbrannt.“
„Tut mir leid, das wollte ich nicht.“
Ich nahm die Kanne in die Hand, schüttelte erneut daran, dann zuckte ich mit den Schultern. „Ein Becher ist da in jedem Fall noch drin.“
Neugierde stieg in mir hoch, und ich konnte mir die nächste Frage nicht verkneifen. Außerdem übte Selina eine gewisse Faszination auf mich aus. Sie war so anders als ich. „Soll das heißen, sie kommt heute Nacht“, ich sah auf die Uhr und korrigierte mich, „besser heute Morgen noch in die Küche und trinkt einen Tee?“
„Jede Nacht nicht, aber meistens nach einer Party, weil sie dann nicht schlafen kann. Das ist ein Beruhigungstee“, fügte er hinzu.
„Oh.“ Ich starrte meinen Becher an. „Dann sollte ich ihn vielleicht besser nicht trinken, sonst schlafe ich noch ein, bevor ich fertig bin.“
Henning löste sich von dem Türrahmen und begann seine Ärmel hochzukrempeln. „Dann werde ich dir mal helfen, damit du nicht einschläfst.“
Ich wich einen Schritt zurück.
„Was hast du vor?“, fragte ich ihn verunsichert.
Er lächelte mich an.
„Dir zu helfen, hab ich doch schon gesagt.“
„Das brauchst du nicht“, wehrte ich schnell ab. Sein offenes Hemd, das den Blick auf einen Teil seines Brustkorbs freigab, und die aufgekrempelten Ärmel setzten ein Signal in meinem Kopf frei, das mich beunruhigte. Meine Worte bremsten ihn nicht. Sein Näherkommen versetzte mich in leichte Panik. Ich machte einen neuen Anlauf, ihn zu bremsen.
„Stell dir mal vor, deine Mutter käme hier herein, während du mir in der Küche hilfst. Sie wäre entsetzt.“
Er lachte amüsiert auf. „Wenn es nur das ist, was dir Sorge bereitet.“
Er warf mir einen Blick zu, in seinen Augen glitzerte es gefährlich. Zum Glück piepte in dem Moment die Spülmaschine. Ich räumte sie aus und wieder ein.
„Mama schläft, sie hat was genommen.“ Ungerührt von meiner Abwehrhaltung holte er sich ein Trockentuch und wartete darauf, dass ich mit dem Spülen begann. Ich schüttelte den Kopf. Im Grunde genommen war ich froh, dass er mir helfen wollte. Es war wirklich noch ein großer Berg. Ich brauchte ihn beim Arbeiten ja nicht anzusehen, beschloss ich. Außerdem waren es nur meine Gedanken, die das Gefühlschaos in mir verursachten. Also brauchte ich nur meine Gedanken auf etwas anderes lenken.
Die Platten knöpfte ich mir als Erstes vor. Die Arbeit ging uns zügig von der Hand. In meinem Kopf begannen die Gedanken zu kreisen. Ich wollte zu gerne wissen, ob Julia etwas zu der Party gesagt hatte. Speziell natürlich zu mir, traute mich aber nicht, Henning danach zu fragen.
„Mama war ziemlich beeindruckt von dir. Vor allem wenn man bedenkt, dass sie fast einen Anfall bekommen hat, als Marianne
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