Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
entlang. Das Zimmer war mit einem Hometrainer, einem Crosstrainer und einem Laufband bestückt. Sie alle orientierten sich zu der rechten Wand, an der ein großer Bildschirm befestigt war. Die Geräte erinnerten mich an meine Zeit in der Reha. Stunden hatte ich darauf verbracht. Ich ging zum Crosstrainer, schaltete ein und stieg auf. Er war ganz schön schwer eingestellt, nach ein paar Schritten schon hatte ich genug.
An den anderen Wänden waren Regale voller Bücher mit Literatur zu allen möglichen Themen. Sachbücher zu Marketing, Führung, Coaching, Finanzen, Bilanzen, Kennzahlen, Unternehmensorganisation . Da standen aber auch Romane, Fantasybücher, Krimis und Thriller. Meine Hände fuhren über die Einbände der Bücher und stoppten an einem schmalen schwarzen Einband. Ein Sauerlandkrimi. Hörte sich nett an. Ich hatte meine Wahl getroffen. Ich ging noch mal zurück in die Küche, holte mir ein Glas und trank Wasser aus der Leitung. Aus dem Büro drang Hennings Stimme, lauter als vorher. Früher war ich ziemlich schlecht in Sprachen gewesen. Seit meiner Flucht, wie ich es manchmal heimlich für mich nannte, war Englisch für mich überlebenswichtig geworden, ich konnte inzwischen ganz gut sprechen, vor allem jedoch verstand ich alles. Die Diskussion drehte sich um die Entwicklung von einem neuen elektronischen Baustein , den die Firma anscheinend auf den Markt bringen wollte. Irgendetwas lief nicht nach Plan. So wie es sich anhörte, würde das Gespräch noch ein Weilchen dauern. Also der richtige Zeitpunkt, um mir was zum Anziehen für die Nacht zu suchen, ohne in Gefahr zu geraten, überrascht zu werden.
Im Zimmer von Henning ging ich direkt in den Ankleidebereich. Beim ersten Blick war mir schon die Größe des Raums aufgefallen, ich war beeindruckt von der Menge der Klamotten. Bei meinem Auszug hatte ich für die Dinge, die mir wichtig waren, einen einzigen Rucksack gebraucht. Zurück war ich gekommen mit dem Rucksack und einer Tasche. Ich fragte mich, wofür ein Mensch zwanzig weiße Hemden brauchte. Immerhin fand ich auch seine Schlafanzüge. Ich probierte einen Flanellpyjama an. Das Oberteil reichte mir, fast wie ein Minirock, bis zur Mitte meiner Oberschenkel. Die Hose musste ich abhaken. Die Beine hätte ich zwar hochkrempeln können, doch in der Taille fand der Gummibund keinen Halt. Also stimmte es nicht, ich war keineswegs zu dick! So ganz spurlos waren Hennings Hänseleien offenbar nicht an mir vorbeigegangen. Ich gehörte nur nicht zu der Sorte Frau, die irgendwelchen verhungerten Models nacheiferten. So wie ich war, fand ich mich genau richtig.
Ich packte die Hose wieder in den Schrank, nahm meine Sachen und ging aus dem Ankleidezimmer. Das Oberteil würde für die Nacht reichen. Dann blieb ich abrupt stehen. Ich starrte auf eine Kommode, die sich direkt gegenüber der Ankleide auf der anderen Seite des Bettes befand. Darauf standen Bilder. Ich umrundete das Bett und blieb vor den Bildern stehen. Auf einem war Stefan zu sehen, wie er konzentriert in die Ferne sah, die Jacke bis oben zugeknöpft, eine Kappe auf dem Kopf, das Bein auf die unterste Querlatte eines Zauns gestellt. Ich erinnerte mich genau an das Bild. Marco war eines Morgens bei uns im Stall aufgetaucht und hatte gefragt, ob er Fotos machen dürfe. Das passte weder Stefan noch mir. Doch einem Gast der Sanders schlugen wir Kamphovens nichts ab. Daneben war ein Bild von Marianne, aufgenommen in der Küche der Sanders. Die Augen geschlossen kostete sie gerade eine Soße aus einem Topf. Es war so typisch für meine Mama. Das Bild war so sehr sie, dass ich meinte, fast die Soße riechen zu können. Unglaublich, wie dieser Marco nicht nur Landschaften einfing, sondern auch Menschen. Es folgte ein Bild von Erich Sander im Büro, daneben Julia Sander in einem Abendkleid auf der Haustreppe. Henning, der auf einem Hocker im Kaminzimmer eine Zeitung las. Was er oft genug auch auf einem anderen Ort erledigte, denn das machte er schon seit seiner Kindheit, damals freilich mit Comics. Zum Glück hatte Marco das nicht festgehalten.
Zuletzt fiel mein Blick auf ein Foto, das ich nicht verstand. Es zeigte Thomas mit Selina. Er in einem schwarzen Smoking mit einer roten Rose am Revers. Sie in einem weißen, eng anliegenden Kleid, mit glitzernden Stickereien, tiefem Dekolleté, die Haare kunstvoll hochgesteckt, mit lauter kleinen roten Röschen und weißen Perlen. Eine Haarsträhne rechts und links, die das Gesicht umrahmten. Beide strahlten auf
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