Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
dem Foto. Es war eindeutig und ganz ohne Zweifel ein Hochzeitsfoto. Aber warum war Henning nicht darauf, sondern Thomas? Oder war es nur ein Foto von Schwager und Schwägerin? Ich nahm das Foto in die Hand, um es genauer zu betrachten. Kein Zweifel. Es zeigte Thomas und Selina. Der Blick, den Thomas auf Selina warf, sah eindeutig nicht verwandtschaftlich aussah. Wie war das möglich? Hatte nicht Henning gerade noch von Selina gesprochen? Nein, genau genommen nicht. Es war nur eine Gegenfrage von seiner Seite gewesen, warum es Selina stören sollte, wenn ich hier schliefe. Und meine Frage nach ihren Sachen, hatte er da nicht ganz seltsam reagiert? Ich schüttelte den Kopf und setzte mich mit dem Bild auf Hennings Bett. Noch nicht mal Mama oder Papa hatten mir erzählt, dass Selina und Thomas verheiratet waren. Allerdings sprachen wir selten in der Familie über die privaten Angelegenheiten der Sanders. Ich starrte weiter auf das Bild. Sie waren ein schönes Hochzeitspaar, wie aus einem Film. Beneidete ich Selina? Nein, allein wenn ich den Smoking von Thomas sah, wurde mir bewusst, wie weit unsere Welt auseinanderlag. Trotzdem versetzte es mir einen Stich, und dann fiel mir Henning ein. Wie mochte es für ihn sein? Der eigene Bruder spannte ihm die Frau aus? Ich versuchte, mich genauer an sein Gesicht zu erinnern, als ich heute von Selina gesprochen hatte. War es verschlossen gewesen? Verletzt? Ich schüttelte den Kopf, nichts in der Art war mir aufgefallen.
Komisch, eigentlich war vieles verkehrt, seit ich hier wieder angekommen war. Mama, so schmal und klein, was kein Wunder war bei den Sorgen, die sie sich um Papa machte. Papa mit einem kranken Herz, der den Hof verfallen ließ. Henning, der sich um den Hof kümmerte, obwohl er in die Fußstapfen seines Vaters getreten war. Thomas, der in der Firma arbeitete, anstatt mit den Pferden auf Turnieren zu starten. Überhaupt, wer sorgte dafür, dass die Pferde der Sanders weiterhin für Käufer interessant waren? Mein Kopf fing zu schmerzen an. Ich wollte mir heute keine weiteren Gedanken mehr machen.
Als ich das Foto auf die Kommode stellte, stutzte ich. Ein Foto fehlte, eins von mir. Mein Herz begann zu klopfen. Hatte Marco kein Bild von mir gemacht? Mir fiel wieder ein, dass Henning etwas erledigt hatte, bevor ich in das Zimmer kommen durfte. Hatte er mein Foto weggenommen? Wenn mich jemand damals in meinem Wesen auf einem Bild gebannt hatte, dann konnte das Ganze nur nach einer Sache ausschauen. Mein Blick schweifte durch das Zimmer. Ich wollte es sehen. Hatte ich nicht ein Recht darauf? Wo konnte er es versteckt haben? Ich zog die erste Schublade der Kommode auf, Socken. Die nächste war mit Unterhosen bestückt. In der letzten waren T-Shirts. Mein Blick schweifte durch das Zimmer. Wo würde ich an Hennings Stelle ein Foto vor mir verstecken? Er wusste, dass ich alleine in seinem Zimmer sein würde. Wenn er glaubte, ich würde danach suchen, blieben nur wenige Stellen übrig, wo ich vielleicht eine gewisse Hemmung verspürte, dranzugehen. Mein Blick fiel auf das Nachtkästchen auf der linken Seite vom Bett. Ich kam mir hoffnungslos schlecht vor und zögerte, als ich meine Hand an den Griff von der Schublade legte. Doch ich wollte unbedingt dieses Foto sehen. Umso mehr, als Henning es vor mir versteckt hatte. Mir klopft das Herz bis zum Hals.
Die Schublade war fast leer. Ein ledergebundenes Notizheft war darin mit einem Stift, eine Packung Tempos, Kopfschmerztabletten und etwas, das mir die Röte ins Gesicht steigen ließ. Schnell schloss ich die Schublade, das Privatleben von Henning ging mich wirklich nichts an. Ratlos sah ich mich wieder um. Dann sah ich vor meinem inneren Auge noch einmal den Inhalt der Schubladen in der Kommode. Alles sauber und ordentlich gefaltet bis, ja bis auf die eine Seite bei den Unterhosen. Etwas, wo ich garantiert nicht drin herumwühlen würde. Ich ging zurück, zog die Schublade auf und hob die Wäsche hoch. Da lag das Bild mit der Vorderseite nach unten.
Meine Hand zitterte, als ich es nahm und umdrehte. Meine Beine gaben nach, ich setzte mich auf den Boden. Meine Augen froren an dem Bild fest. Dass ich den Atem anhielt, merkte ich erst, als mir die Luft wegblieb. Ich schnappte nach Sauerstoff, als wäre ich unter Wasser. Auf dem Bild war ich. Die Augen geschlossen, meine Stirn an die Stirn von Fly gelehnt. Meine Hände umfassten seine Backen. Seine Nüstern waren gebläht, und die feinen Tasthaare berührten mein Gesicht. Eine
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