Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
Pferde nichts.
Gegen zwei Uhr nachmittags hatte ich endlich die ganzen Boxen auf der linken Seite mitsamt den Paddocks sauber. Ich war schweißgebadet, stank nach Pferdmist, spürte jeden einzelnen Muskel und fühlte eine tiefe Zufriedenheit in mir. Melanie hatte das Einstreuen übernommen sowie vier weitere Pferde longiert. Jetzt fegte sie die Stallgasse sauber. Ich dehnte und streckte mich. Mir war klar, dass mein Muskelkater sich verschlimmern würde. Vielleicht ließ ich mir am Abend am besten ein heißes Bad einlaufen.
„Ich fahre ins Krankenhaus. Du kannst erst mal Pause machen“, sagte ich zu Melanie, die vergnügt bei der Arbeit vor sich hin pfiff.
„Geht klar, ich habe auch einen Mordshunger.“ Ich sah sie irritiert an. Während der Arbeit hatte sie drei Schokoriegel und einen Streifen Streuselkuchen gefuttert, von dem sie mir ein Stück abgegeben hatte. Ganz zu schweigen von den Futtermöhren, die ja eigentlich für die Pferde gedacht waren, und zwei Äpfeln. Es wunderte mich, dass sie noch Hunger verspürte. Sie verdrückte eine weitere Möhre. „Soll ich heute Nachmittag die Boxen auf der anderen Seite fertig machen?“
„Nein, das mache ich. Du kümmerst dich darum, dass die restlichen Pferde bewegt werden.“
Sie verschluckte sich an einem Stück Möhre. „Aber doch nicht Dumont und Dawinja“, erklärte sie entsetzt. Dass Dumont zu den Turnierpferden zählte, war mir klar. Der Name Dawinja sagte mir nur dunkel etwas. Das Bild einer flinken, kleinen Fuchsstute schoss mir durch den Kopf. Ein eigenwilliger Dickschädel, mit Flausen im Kopf.
Ich runzelte die Stirn. „Geht Dawinja auf Turniere?“
Melanie nickte. „Ja, sie soll in diesem Jahr verkauft werden, sagt Herr Kamphoven, weil er mit ihr nicht so gerne züchten möchte. Sie ist ihm zu dickköpfig, im Gegensatz zu Lady Star. Sie geht ebenfalls auf Turniere. Herr Kamphoven hat gesagt, dass ich sie vorstellen darf.“ Ihre Augen strahlten, während sie die letzten Worte fast ehrfurchtsvoll aussprach. Sie konnte nicht wissen, welchen Vorteil sie mir gerade zugespielt hatte.
„Na, dann kannst du ganz bestimmt auch Dumont und Dawinja reiten, wenn mein Vater denkt, dass du unsere neue Zuchtstute auf den Turnieren vorstellen kannst. Immerhin brauchen wir mit ihr Platzierungen.“
Melanie starrte mich an. „Aber ich kann doch nicht Dumont reiten!“
„Wieso nicht?“, fragte ich hinterhältig.
„Weil er, na, weil er“, sie suchte nach den passenden Worten, „so ein kostbares Pferd ist. Immerhin hat er die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen geholt.“
„Tatsächlich.“ Ich fühlte einen feinen Stich im Herz. Thomas und ich hatten uns mit unserem Wettstreit, den anderen zu übertrumpfen, in die Gruppe der Springreiter hochgearbeitet, die für die deutsche Mannschaft der Olympischen Spiele infrage gekommen waren. Dann war mein Sturz passiert.
Sieh an, Thomas war also tatsächlich bei den Olympischen Spielen gestartet. Das hatte ich nicht gewusst. Ich schluckte, versuchte ein Lächeln, was mir misslang. Ich sah den Triumph in Melanies Augen, sie musste meine Mimik vollkommen falsch interpretieren. Vermutlich dachte sie, ich würde nun die gleiche Ehrfurcht wie sie vor dem Pferd empfinden. Ich räusperte mich.
„Dumont ist ein Pferd und braucht seine Bewegung. Wenn du ihn nicht reiten möchtest, gut, dann longier ihn und lass ihn danach frei springen.“
Melanie fiel die Kinnlade runter. Sie wagte es nicht, mir zu widersprechen, mein Ton war zu eindeutig. Sie drehte sich mit zusammengepressten Lippen um.
„Du bist aber schuld, wenn Thomas sauer ist. Ich durfte das Pferd noch nie anpacken“, murmelte sie vor sich hin.
„Das habe ich gehört“, rief ich hinter ihr her. „Natürlich übernehme ich die Verantwortung für meine Entscheidung.“ Aber ich konnte damit nicht einmal das flaue Gefühl in meinem eigenen Magen ganz vertreiben.
Eine halbe Stunde später saß ich im Pick-up auf dem Weg ins Krankenhaus. Ich suchte einen Sender mit Musik, die mir gefiel, damit ich nicht nachzudenken brauchte, gab aber schnell entnervt auf. Meine Gedanken kreisten wie wild. Da war die Arbeit im Stall, der Kontakt mit den Pferden, der sich nicht so vermeiden ließ, wie ich es gehofft hatte. Ich hatte mich dabei erwischt, wie ich Van Gogh ganz selbstverständlich beim Vorübergehen eine Möhre in sein vorwitziges Maul gestopft hatte. Er war das neugierigste Pferd im Stall. Es war einfach ein Reflex gewesen.
Wie leicht ich mich
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