Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
konnte ich mir jetzt keine Gedanken machen. Ich hatte ein Telefongespräch vor mir, das mir schwer im Magen lag. Ich musste wissen, wie Duke die Operation überstanden hatte, damit ich Papa bei meinem Besuch gerade in die Augen sehen konnte.
Während sich Lasse und Melanie an das Training mit den Pferden machten, ging ich noch einmal ins Haus zurück und wählte mit zitternden Fingern die Nummer von der Tierklinik.
„Guten Morgen, Frau Heinrichs, mein Name ist Vera Kamphoven vom Hof der Sanders. Ich wollte mich über den Zustand von Duke erkundigen, das Pferd ist gestern bei ihnen am Fesselgelenk operiert worden.“
„Hallo, Frau Kamphoven, schön, dass Sie wieder da sind. Können Sie einen kurzen Augenblick warten? Dr. Brenner wollte gerne persönlich mit Ihnen reden.“
Bevor ich antworten konnte, hörte ich bereits die Pausenmelodie in meinem Ohr. Warum wollte mich Dr. Brenner persönlich sprechen? Schweiß bildete sich auf meiner Stirn, und meine Hände vibrierten. Ich presste den Hörer fest an mein Ohr.
„Hallo, Vera, gut, dass du anrufst. Könntest du bitte heute vorbeikommen? Die OP ist so weit gut gelaufen, aber ich möchte noch etwas mit dir besprechen. Passt es dir heute so gegen halb zwei?“
Ich atmete tief ein und tief aus. Warum können Ärzte nie klare Aussagen am Telefon machen? Und warum erzählen sie ständig, dass eine OP gut gelaufen sei, wenn es dann doch noch etwas zu besprechen gab?
„Dr. Brenner, können Sie das nicht mit mir am Telefon besprechen?“
„Nein, denn ich muss es dir zeigen.“
„Also gut, dann bin ich heute um halb zwei in der Klinik.“ Ich seufzte.
Entschlossen stieg ich aus dem Auto. Den ganzen Vormittag über hatte ich mich innerlich auf den Besuch in der Klinik vorbereitet. Linker Hand lagen die Stallungen, direkt davor die Operationsräume. Neben diesen Räumen befanden sich der Empfang und das Wartezimmer. Ich öffnete die Tür. Frau Heinrichs, die ich noch von früher kannte, saß an der Rezeption. Bevor sie mich begrüßen konnte, kam bereits aus dem Raum hinter der Theke Dr. Brenner.
„Hallo, Vera, schön, dass du dir die Zeit genommen hast. Komm mit, dann zeige ich dir gleich, was wir gemacht haben.“
Er ging voraus, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Kurz darauf standen wir in dem Raum, aus dem Dr. Brenner gerade gekommen war. Er dämmte das große Licht und schaltete die Lichtertafeln an, an denen die Röntgenaufnahmen befestigt waren. Sie zeigten ein linkes Pferdevorderbein von verschiedenen Seiten. Während ich den Ausführungen von Dr. Brenner zuhörte, betrachtete ich die Bilder, die nüchtern die Verletzungen des Tieres zeigten.
„Er hat echt Glück im Unglück gehabt. Ich kenne nicht viele Stellen da unten, wo wir so gut drankommen, um den Knochensplitter zu entfernen.“
Er drehte sich um und steckte mir ein kleines Stückchen Knochen zu. Es war etwa so klein wie der Nagel meines Mittelfingers und einen Millimeter dick. Dann fuhr er fort und berichtete in allen Details von seiner Vorgehensweise bei der Operation, die demnach unglaublich kompliziert gewesen war. All das ging an mir vorbei. Stattdessen betrachtete ich das kleine Stück Knochen in meiner Hand. So klein war es, und doch entschied es darüber, ob ein Pferd jemals wieder geritten werden konnte oder nicht. Entschied vielleicht sogar über Leben oder Tod.
„Wir haben zwei Stellen an der Brust und der rechten Seite genäht, Verletzungen, die von dem Stacheldraht herrühren. Die anderen behandeln wir mit Salbe. Wer hat das Pferd überhaupt so mit der Peitsche zugerichtet?“ Dr. Brenner erwartete zum Glück keine Antwort von mir. Er war bereits wieder mit seinen Ausführungen beschäftigt. Nun hörte ich genauer zu und versuchte, das für mich Wesentliche von dem Rest zu trennen.
Bisher sah offenbar alles gut aus. Wichtig war jetzt, wie der Knochen verheilen würde. Dabei gab es zwei Risiken. Zum einen musste die Stelle am Ende glatt sein, sonst würden sich die Bänder bei Belastung daran reiben. Das zweite Risiko bestand darin, dass zu viel Knochen nachwuchs und dann ebenfalls die Sehnen und Bänder im Bewegungsablauf störte. Ob er jemals wieder geritten werden konnte, darüber wollte Dr. Brenner noch keine Prognose wagen.
Als wir aus dem Raum traten, lief der Tierarzt schnurstracks aus dem Gebäude. Ich wusste, wo er mit mir hin wollte. Mir stockte das Herz und ich blieb stehen, was den Tierarzt nicht weiter interessierte. Er setzte seinen Weg fort.
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