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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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freilich genügt, die Esplanade entlang zu den Golfplätzen zu schlendern…
    Warum also wandte er sich in die genau entgegengesetzte Richtung?
    Man täusche sich nicht: Ferguson wußte genau, wohin es ihn zog. Er wandte sich schnurstracks einem ungepflasterten Trampelpfad am anderen Ende des Hafens zu. Hier gab es noch Frieden und Abgeschiedenheit ohne störenden Lärm. Da gerade Ebbe war, stießen nur die Möwen kreischend in den Schlick hinab, um zurückgebliebenes Kleingetier zu erbeuten.
    In der flachen kleinen Bucht, wo der tief hängende Ast eines Baumes es fast verbarg, lag sein Boot. Wenigstens ließ das Gebilde so etwas wie bootsähnliche Umrisse erkennen, obwohl Maltby das Ding bestenfalls »Pott« oder »Waschzuber« genannt hätte. Seinerzeit hatte es als stolzer Küstenkutter von sieben Tonnen gedient, war aber niemals, auch nicht in seiner Jugend, eine Schönheit gewesen. Die Längen- und Breitenverhältnisse stimmten vorne und hinten nicht, aber das war Ferguson nicht so wichtig. Es handelte sich um ein durchaus seetüchtiges Boot, nicht nur um ein paar zusammengenagelte Planken und hübsche äußere Formen. Man sah noch Spuren der ehemals weißen Bemalung und der himmelblauen Wasserlinie. Es hätte sich gut und gern noch für Hafenrundfahrten an schönen Sommernachmittagen geeignet, wenn man es entsprechend herrichtete.
    Ferguson strich sacht über den Dollbord. Dann kramte er ein Taschenmesser hervor und pochte an einigen Stellen gegen das Holz. Sein Gesicht verzog sich zu einem zufriedenen Schmunzeln.
    »Klingt wie 'ne Glocke«, murmelte er. »Nichts morsch. Da ist kein Wurm drin.« Sein Blick heftete sich auf die abgeblätterten Goldlettern am Heck: Adieu Sagesse.
    Das erinnerte ihn an den Tag vor ungefähr zehn Jahren, als er das Boot gekauft hatte. Der ursprüngliche Besitzer, ein Franzose, war der weltweiten Grippe-Epidemie zum Opfer gefallen.
    Merkwürdige Geschichte. Eines Abends war er aus dem Nichts aufgetaucht wie der Fliegende Holländer, hatte vor Maltby geankert, und vierzehn Tage später hatte man ihn, todkrank, in der Kajüte aufgestöbert. Ein total verschrobener Sonderling. Man hatte das Boot öffentlich versteigert, und er, Ferguson, hatte es für ein Butterbrot erworben.
    Auch später hatte niemand erfahren, woher der Franzose kam, denn sein Boot war nirgends registriert. Nun ja, die Behördenangelegenheiten wurden damals in einer halben Stunde erledigt. Warum hatte Ferguson sich überhaupt darum gekümmert? Die Leute verstanden es sowenig wie er selber. Hinterher hatte er auch nie die Nerven gehabt, das Boot zu benutzen.
    »So eine Narretei!« hatte Mrs. Ferguson sich in höchsten Tönen erbost. »Wie unüberlegt, so einen alten Kahn zu kaufen! Du machst dich ja absichtlich zur Witzfigur. Wir werden im Club geschnitten… Und unsere Töchter wachsen heran. Gedenkst du nun wenigstens etwas Originelles mit diesem Erwerb anzufangen?«
    Darauf war er seiner Frau die Antwort schuldig geblieben. Er kratzte sich hinterm Ohr, denn ihm fiel einfach nichts ein. Wie sollte er ihr klarmachen, daß er einem Impuls gefolgt war, den er sich selbst nie zugetraut hätte – unter dem Motto: Wer weiß, wozu es gut ist!
    Und nun lag das Boot schon zehn Jahre lang hier im Schlamm. Adieu Sagesse! Ein bezeichnender Name. Ferguson schnupperte unwillkürlich mit schiefgelegtem Kopf in die Luft; er ähnelte in diesem Moment einem überdimensionalen, aber nicht rassereinen Hund.
    Da kam jemand. Schwere Stiefel schmatzten bei jedem Schritt im feuchten Lehmboden. Es war Sam Collins, der Krabbenfischer. Ohne besondere Verwunderung, wie Verschwörer, lächelten die beiden Männer einander an.
    »Guten Abend, Sam.«
    »'n Abend, Sir.«
    Ferguson bot Sam eine Zigarette an und nahm selbst eine. Sam verschluckte sich an dem Rauch und hustete hinter vorgehaltener Hand. Diese Pause benutzte Ferguson, um zu sagen:
    »Ich hab mir gerade mal das alte Boot angesehen, Sam. Kommt mir so stabil vor wie am ersten Tag – das heißt, seit es hier liegt. Ich habe mit dem Messer ein bißchen herumgestochert. Keine morschen Stellen, soviel ich sehe.«
    Sam kraute seine kurze Schifferkrause und zwinkerte vertraulich.
    »Nee, Sir, dem fehlt nichts. Das ist immer in Ordnung gewesen. Hab mir 'n paarmal erlaubt, danach zu gucken. Das braucht höchstens 'n neuen Anstrich und so 'n paar Kleinigkeiten – dann war es wieder absolut seetüchtig.«
    Sie rauchten eine Weile schweigend vor sich hin. Sam war der erste, der in fast

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