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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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anderen Seite des Sees.«
    »Du hast Lack auf den Balkon verschüttet«, sagte Scrivener.
    »Oh, wirklich? Macht nichts, die Femme de chambre wird's aufputzen. Nun, was meinst du zu meiner Idee? Du magst doch sicher gern ein wenig Fröhlichkeit nach der geistigen Anstrengung des Vortrags.«
    »Geistige Anstrengung!« echote Scrivener. Das Lachen, das er von sich gab, war leicht hysterisch. Annette Limoges schaute verwundert auf.
    »Was ist?« fragte sie. »Ist etwas nicht in Ordnung?«
    Und sogar jetzt, dachte er, sogar jetzt, wenn sie nur dies eine Mal den Bademeister heimschickte, könnte er seine Wut vergessen, ihre unerträgliche Anmaßung und Impertinenz vergessen, den Stolz hinunterschlucken und die Beleidigung hinunterschlucken, und er wäre bereit, dort wieder anzufangen, wo es auf solch verheerende Weise aufgehört.
    »Du bist doch nicht nervös?« fragte Annette. »Ich versichere dir, daß das gar nicht nötig ist. Nur die Leute in den ersten sechs Reihen hören, was du sagst. So schlecht ist die Akustik, sagte Alberto. Er kennt jemanden, der den Vortragssaal putzt.«
    Robert Scrivener krampfte seine Hände zu Fäusten zusammen. Er wandte sich von ihr ab, ging ins Badezimmer, schlug die Tür zu und schloß sie ab.
    Gleich darauf hörte er sie klopfen. Er nahm keine Notiz davon und fuhr fort, beide Hähne laufen zu lassen. Dann saß er mit verschränkten Armen, bis der Laut einer entfernten Tür ihm sagte, daß sie weggegangen war.
    Dann machte er sich für den Vortrag bereit, der um halb acht stattfinden sollte.
    Auf die Minute pünktlich, genau um sieben, erschien sein Tagesgastgeber, Herr Lieber, im Hotel, um ihn abzuholen. Herr Lieber, der aus seiner steifen Hemdbrust quoll wie eine Kropftaube, gab wieder seine Entschuldigung von sich, daß die Idee des zweiten Vortrages am folgenden Tage hatte fallengelassen werden müssen, und er gab, wie sein Nachbar beim Mittagessen, der Anziehungskraft des Kinos auf potentielle Zuhörer die Schuld.
    »Sie stehen zu Hunderten vor diesem Kino auf der anderen Seite der Straße Schlange«, bemerkte er, als sie beim Vortragssaal ankamen. »Natürlich wußten wir nicht, was im Elysée gezeigt würde, als wir den Vortrag festsetzten.«
    Wenn sie es gewußt hätten, hätten sie ihm wohl geschrieben, sie müßten den ersten Vortrag absagen, wie sie es mit dem zweiten getan hatten?
    Seine Abhandlung war gewissermaßen ruiniert. Zwei voneinander getrennte Gedankengänge mußten zu einem vereinigt werden, um seinen ersten Vortrag verständlich zu machen. Diese Aufgabe schien ihm unmöglich.
    Als er auf dem Podium stand und auf die Reihe ernster Gesichter hinabblickte, schien es Robert Scrivener, daß alles, wofür er bis dahin gearbeitet hatte, vergebens gewesen sei.
    Seine Reise nach Genf stand unter einem bösen Stern, und sogar jetzt, wo er die Fäden seines überreichen Materials hätte sammeln sollen, bestand ein Teil seines Denkvorganges darin, ein Telegramm an Judith zusammenzustellen, um ihr zu melden, daß er am folgenden Tag nach London zurückkehre und er seinen Aufenthalt in der Schweiz nicht verlängere.
    »… Und so habe ich das große Vergnügen, Ihnen den berühmten Romancier, Dichter und Kritiker, Herrn Robert Scrivener, vorzustellen.«
    Der Präsident des Vereins beugte sich zu ihm hinüber, und Scrivener erhob sich.
    Integrität, so nahm er nachträglich an, Integrität und Training brachten ihn durch die Prüfung. Die aufmerksame Stille der Zuhörer und ihr freigebiger Applaus am Schluß, dem ein Summen von Gesprächen folgte, und die Gratulationen der Kollegen neben ihm auf dem Podium, diese Tribute bewiesen, daß es ihm gelungen war. Er war jedoch erschöpft. Er hatte sich für die Literatur verausgabt. Mochten Leute minderen Schlages sie besudeln, das Wesentliche blieb unberührt in seinen Händen und in den Händen jener, die waren wie er.
    Scrivener, der wegen seiner Beredsamkeit beinahe ohnmächtig war, ließ sich in einen Raum hinter dem Podium führen; dort wurden ihm Hühnerbrötchen und süßer Champagner gereicht.
    Hatte er seine ausgetrocknete Kehle gekühlt und all die Hände, die sich nach ihm ausstreckten, geschüttelt, so war er endlich ein freier Mensch, und dann hatte er keinen Wagen und keinen Herrn Lieber zu seiner Verfügung. Dafür war er dankbar. Weitere Bestätigungen internationalen guten Willens und ein Meinungsaustausch, der noch höflicher und noch gedankenschwerer gewesen wäre, hätten ihn erschlagen.
    Er bereitete seinen

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