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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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einundfünfzig verbunden zu werden. Der unvermeidliche Summton folgte und darauf das unvermeidliche »keine Antwort«. Scrivener fluchte und legte den Hörer zurück.
    Dann ging er auf die Terrasse hinunter und bestellte sich noch einen Martini. Leute kamen auf die Terrasse hinaus, in Paaren oder in Gruppen, die einen zum Trinken, die andern zum Essen, und Robert Scrivener saß an seinem einsamen Tisch und hatte nichts anderes zu tun, als die Tür zum »Mirabelle«-Restaurant zu beobachten.
    Dann, als er seinen letzten Martini hinunterstürzte, sah er jemanden in gestreiften Jeans, Sandalen und einem smaragdgrünen Hemd auf sich zukommen, und – ja, sie war es, es war Annette Limoges, sie hob die Hand, winkte und warf ihm einen Kuß zu.
    Scrivener stand auf. Sie war an seiner Seite, größer als erwartet, das Haar noch feucht vom Schwimmen und zerzaust, aber reizend, unbestreitbar reizend.
    »Können Sie mir je vergeben?« fragt sie, und die Stimme, anziehend mit dem leichten Akzent, war weich und tief.
    »Vergeben?« fragte er. »Natürlich vergebe ich Ihnen. Herr Ober…«, und er drehte sich um, um einen vorbeigehenden Kellner herbeizurufen; aber sie legte ihre Hand auf seinen Arm.
    »Nein… nein…«, sagte sie schnell. »Sie glauben doch sicher nicht, daß ich mich so hinsetze? Ich ziehe mich um. Es dauert nur zehn Minuten. Bestellen Sie mir einen Cinzano.«
    Sie war weg, bevor er Zeit hatte, das Geschehene zu verarbeiten. Er setzte sich wieder und fing an, ein Brötchen zu zerkrümeln und kleine Stückchen davon in den Mund zu schieben.
    Das Porträt und der Schnappschuß hatten ihn dazu verleitet, etwas Anziehendes und Herzliches zu erwarten, aber die Wirklichkeit überstieg bei weitem diese Bilder. Er war überwältigt.
    Er hatte sich wohlwollend gesehen, ein wenig väterlich, während sie mit entzückten Augen dasaß und seiner Konversation, die fast nur ein Monolog war, lauschte; aber jetzt war er nicht mehr so sicher, hypnotisiert von den gestreiften Jeans und so linkisch wie ein Gymnasiast, der sein erstes Essen bestellt.
    Er war dabei, mit Hilfe des Maître d'hôtel die Speisekarte zu studieren, als sie zurückkam, schneller, als sie versprochen hatte, in nur sieben Minuten; und sie hatte ein Kleid angezogen, das vorteilhaft ihre schön gebräunten Arme und Schultern frei ließ.
    Scrivener fühlte sich unbekleidet. Ihre Erscheinung verlangte nach einem Smoking, nach einer Blume im Knopfloch.
    »Sie können sich nicht vorstellen«, sagte sie, als sie sich setzte, »was das für mich heißt. Nach den langen Stunden in dem schrecklichen Laden, wo mir niemand etwas bedeutet und ich niemandem etwas zu sagen habe, hierher verpflanzt zu sein durch den Wink eines Zauberstabes, und Sie sind der Zauberer, Sie der hier vor mir sitzt, gerade wie ich es mir vorgestellt habe. Robert. Robert Scrivener.«
    Er lächelte und machte eine abwehrende Geste. »Der Cinzano«, sagte er, »ist er Ihnen kalt genug? Haben Sie ihn gerne so?«
    »Vollkommen.« Sie umfing ihn mit ihrem Lächeln. »Aber eben, alles ist vollkommen. Genf, das Hotel, der See und Sie.«
    Der Kellner war wieder an seiner Seite, und Scrivener mußte seine Augen von Annette Limoges abwenden und sich auf etwas anderes konzentrieren: den endgültigen Entscheid, was sie essen und trinken würden.
    Es war ihm unerhört wichtig, daß er sie darin nicht enttäuschte, damit ihre erste gemeinsame Mahlzeit so einmalig sei wie alles andere.
    »Sind Sie ganz sicher, daß Sie dies möchten?« fragte er zum drittenmal, übereifrig in seinem Verlangen, ihr Freude zu machen, und sie nickte und nippte an ihrem Cinzano.
    »Nun…« Robert Scrivener schaute über den Tisch hinweg seine Korrespondentin von so vielen Monaten an, der er ja schon so oft sein Herz eröffnet hatte, und er fand sich sprachlos; die schönen Worte, die mit solcher Leichtigkeit aus seiner Feder rollten, existierten nicht mehr.
    »Es ist besonders wunderbar«, sagte das Mädchen, »daß wir einander schon kennen. Wir müssen kein Eis mehr brechen. Wir könnten Abend für Abend miteinander gegessen haben.«
    Er wünschte sich dasselbe.
    »Gewöhnlich«, sagte Annette, »ist da eine gewisse Zurückhaltung, wenn zwei Menschen sich zum erstenmal sehen. Aber nicht bei uns. Sie wissen, daß Sie mir alles sagen können. Eigentlich weiß ich es.«
    Die Beschäftigung beim Essen half, und mit dem Wein, dem gesegneten Wein, kam sein Selbstvertrauen zurück, seine Selbstsicherheit, und sie konnte ihn nicht

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