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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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abend gesagt: ›Wie wird mich Robert necken, wenn ich ihm erzähle, was geschehen ist. ‹ Alberto war nicht so sicher. Er dachte, du könntest verletzt sein.«
    Nun war es an Scrivener zu lachen. Das Lachen tönte natürlich, aber die Kraft, die er hineinsteckte, kostete ihn zehn Jahre.
    »Verletzt?« sagte er. »Warum nur sollte ich verletzt sein?«
    »Eben! Es ist nur noch ein kleines bißchen Erfahrung mehr für Robert, sagte ich zu Alberto. Korn für des Schriftstellers Mühle. Nein, es ist so wunderbar für mich, daß du die Begegnung überhaupt möglich gemacht hast. Hier bin ich im siebten Himmel, und ich verdanke es dir.«
    Ironische Worte kamen auf seine Zunge, aber er hatte die Geisteskraft, sie zu ersticken. »Werde ich den Musterknaben kennenlernen?« fragte er leichthin.
    »Aber natürlich«, sagte sie. »Ich habe mich mit ihm genau um zehn Uhr in der Bar beim Bahnhof verabredet. Und jetzt ist es zehn. Wir dachten, der Bahnhof sei am besten, weil uns dort niemand kennt und weil dort immer viele Leute sind.
    Würde es nämlich bekannt, daß der Bademeister des Plage ein wildes Verhältnis mit einem Hotelgast hat, so könnte mein schöner Alberto die Stelle verlieren.«
    Und mit Recht, dachte Scrivener. Eine dumpfe Wut war auf den ersten Schock gefolgt, aber eine Wut, mit der er nichts anfangen konnte. Die Unsinnigkeit, die Widerwärtigkeit des bevorstehenden Abends überschattete jedes Handeln.
    Nur ein sarkastisches Wort, und er war verloren. Eine Unbesonnenheit, und seine Schriftstellerintegrität, der Besitz, über den zu referieren er nach Genf gekommen war, das Gleichgewicht, das Verhältnis wären für immer befleckt.
    »Ich bin bereit, wenn's dir recht ist«, sagte Scrivener, und sie stand sofort auf und machte keinen Versuch, ihren Eifer zu verhüllen; sie ging voran, von der Terrasse durch das Restaurant, wo Kellner sich verbeugten, Köpfe sich drehten, eine sinnliche, verlockende Gestalt, kühl und liebreizend, und sie begehrte den Bademeister und nicht ihn. »Mach dir nichts daraus, wenn Alberto schüchtern ist«, sagte sie, als sie durch die Straßen gingen. »Er ist erst zweiundzwanzig, wie ich, und er weiß sicher nicht, was er mit dir reden soll. Morgen will er natürlich zum Vortrag kommen. Wir dachten, wir könnten zusammen hingehen. Er hat noch nie einen bekannten Schriftsteller kennengelernt.«
    »Und du?« Dies schoß ihm aus dem Mund wie eine Kugel aus einem Gewehr; aber sie war zu glücklich, vorübergehend zu wenig feinfühlend, um seinen Ton zu erfassen.
    »Manchmal in Zürich«, erwiderte sie, »aber gewöhnlich bin ich zu müde, um am Abend auszugehen und mich zu amüsieren.«
    »Ja, Strümpfe zu verkaufen muß eine erschöpfende Arbeit sein«, wie geschickt, wie schlau konnte man es sagen.
    Sie kamen zu einer prunkvollen Bar an der weiten Straße beim Bahnhof, und Annette Limoges drängte sich vertrauensvoll und fröhlich durch die Knäuel von Leuten.
    »Ich hoffe, du wirst nicht erkannt«, sagte Annette, »es wäre zu schade, wenn der Abend verdorben würde, weil so ein verflixter Offizieller käme und dich in Beschlag nähme.«
    Das, dachte Robert Scrivener, wäre seine einzige Rettung. Dann, nur dann könnte er Annette Limoges anschauen und sagen: »Meine Liebe, bist du mir böse? Geh du nur und suche deinen Alberto. Ich muß mich mit diesen Bekannten abgeben.« Dann wäre sein Stolz gerettet.
    Nichts dergleichen geschah. Annette führte ihn zu einer Ecke der Bar, wo aufrecht auf einem hohen Stuhl ein gebräunter junger Mann saß. Er sah auf eine blendende Art gut aus; aber der Ring am kleinen Finger ließ Scrivener erschauern.
    Und Annette… Annette, die so vollkommen gewesen war auf der Terrasse des Hotels »Mirabelle«, so voller savoir-faire, so liebenswert und wahrhaftig lieblich, schien plötzlich vor seinen Augen an Klasse zu verlieren. Wie sie sich schlängelte, als sie Alberto zu Gesicht bekam – denn Alberto mußte es sein –, das war, ehrlich gesagt, gewöhnlich.
    »Hallo, Liebling«, sagte sie, und das »Liebling« war für Scrivener eine Kränkung, eine Beleidigung. »Hier sind wir. Darf ich dir Mr. Robert Scrivener vorstellen?«
    Der junge Mann streckte seine Hand aus, und Scrivener berührte sie wie einen unsauberen Gegenstand.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagt Alberto und rutschte vom Stuhl, und dann standen sie alle drei dort, ungleich und mit falschem Lächeln, und Scrivener, der Gastgeber, bestellte eine Runde.
    Die drei saßen an einem kleinen

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