Dumm gelaufen, Darling
Leben gerettet. Seiner Mutter gram zu sein, weil sie Lacey gegen Geld ein Zuhause gegeben hatte, war lächerlich. Es war nur einfacher gewesen, auf seine Mutter wütend zu sein, als sich den Ärger über sich selbst einzugestehen.
„Es ist kompliziert“, sagte er. „Die ganze Zeit, während der ich wütend auf dich war, weil du mir nicht erzählt hast, dass Lilly kein richtiges Pflegekind war und die Sache mit dem Geld verheimlicht hast, habe ich selber ein großes Geheimnis vor dir verborgen.“ Er atmete tief durch. „Jahrelang ließ ich dich trauern, obwohl ich wusste, dass Lilly am Leben war.“ Seine Schläfen pochten, während er sprach.
„Wir haben beide Fehler gemacht“, sagte seine Mutter. „Oder vielleicht sollte ich sagen, dass wir beide Entscheidungen getroffen haben, die uns damals notwendig erschienen. Wer weiß.Vielleicht waren sie notwendig“, entließ sie ihn erneut aus der Verantwortung.
Er war nicht bereit, sich zu verzeihen, jedenfalls noch nicht. Hoffentlich würde es ihm noch gelingen, doch erst musste er alles aussprechen, was ihn beschäftigte.
„Was liegt dir noch auf der Seele, Tyler? Was vergräbst du noch in dir?“, fragte seine Mutter.
„Außer dass ich dich leiden und trauern ließ?“ Dieses Mal wandte er sich um, damit er das Gesicht seiner Mutter sehen konnte, wenn er seine Fehler eingestand.
Seine Schwächen.
Seine Schuld.
„Was ich getan habe? Ich habe Lacey allein nach New York geschickt. Sie war gerade mal siebzehn Jahre alt, und ich bin ihr nicht hinterhergefahren. Verdammt, ich habe mich fünf gottverdammte Jahre lang nicht um sie gekümmert“, sagte Ty voller Abscheu vor sich selbst.
Und er hatte das lächerliche Versprechen, niemals über jene Nacht zu sprechen, als Ausrede benutzt, um fortzubleiben. Und als er entdeckte, dass sie wohlauf war und in Manhattan lebte, war er nicht losgefahren, um sie zurückzuholen, sondern hatte ihr vorgeworfen, nicht zu ihm zurückzukommen. Welche Arroganz! Erst Laceys Rückkehr, die Anschläge auf ihr Leben und der Herzinfarkt seiner Mutter hatten ihm die Augen geöffnet.
Er war ein Feigling gewesen.
„Wie alt warst du, als wir den Plan ausheckten, meinen Tod vorzutäuschen, damit ich allein nach New York gehe?“
Ty zuckte zusammen beim unerwarteten Klang von Laceys Stimme. Sie stand im Türrahmen und starrte ihn ungläubig an.
„Ich glaube, sie hat dich etwas gefragt“, sagte Flo lächelnd.
Ty räusperte sich. „Ich war achtzehn.“
„Und du glaubst, das machte dich so viel älter und klüger als mich? Du glaubst, du hättest es besser wissen müssen?“, fragte Lacey und betrat das Zimmer. „Es tut mir leid, dass ich unterbreche, aber ich bin doch froh, dass ich es tue.“
„Ich ebenfalls.“ Flo winkte sie herein. „Sie hat da irgendwie recht, weißt du.“
Ty blickte finster. „Verschwört euch nur gegen mich“, murmelte er.
„Nun, wer hat dich eigentlich zu jedermanns Beschützer und Retter ernannt?“, fragte Lacey. „Versteh mich nicht falsch – ich war immer dankbar, dass du auf mich aufgepasst hast. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich zu Onkel Marc hätte zurückgehen müssen, statt bei euch zu bleiben. Doch niemand hat dir die Verantwortung übertragen, und definitiv niemand hat dich zu einem Menschen ernannt, der alles besser wissen und alles richtig machen muss. Gönn dir mal eine Pause, Ty. Tut mir leid, dass ich dir diese Nachricht überbringen muss, aber Ty: Du bist nun mal nicht vollkommen.“ Sie warf verzweifelt die Hände in die Luft.
Er atmete hörbar aus. Sie ahnte es nicht, doch sie hatte eine wichtige Frage beantwortet. Sie hatte nicht gehört, wie er mit seiner Mutter über das Geld von ihrem Onkel gesprochen hatte. Dieses Geheimnis musste ebenso wie alle anderen enthüllt werden. Noch eine Sache, die ihm klar geworden war, während man seine Mutter operiert hatte.
„Was meinst du mit ‚nicht vollkommen‘?“, konzentrierte Ty sich auf den leichtesten Teil ihres Monologs. „Wie kannst du so etwas sagen, und noch dazu vor meiner Mutter?“, witzelte er.
Lacey runzelte sie Stirn und fand ihn offenbar nicht im Geringsten amüsant.
„Nun, das war ziemlich anstrengend“, schaltete sich Flo ein. „Ich muss mich ausruhen, doch du, Ty, solltest auf Lacey hören. In ihrem hübschen Kopf weiß sie mehr als wir beide zusammen.“ Sie lehnte sich zurück in die Kissen und wirkte blasser als am Anfang ihres Gesprächs.
Das Geheimnis seiner Mutter musste noch warten,
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