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Duncans Lady

Duncans Lady

Titel: Duncans Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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bist’n jämmerlicher Bruder, mit ’ner jämmerlichen Ausrede. Das Wasser steigt gar nich. Es geht höchstens bis zu den Knien. Nich höher. Und wir sind sowieso schon überall nass.“
    Jamie torkelte weiter die Straße entlang. Er war sich nicht einmal sicher, ob er den Weg zurück nach Hause finden würde. Er war vielleicht zwanzig Schritte gegangen, als er feststellte, dass Peter nicht länger neben ihm war. Er hielt an und drehte sich um. Durch den Regen konnte er gerade noch erkennen, wie Peter auf einem Feld zu ihrer Linken verschwand. Er kämpfte mit sich, ob er ihm folgen sollte. Ohne seinen Bruder neben sich fand er den Regen noch schrecklicher.
    „Warte!“ Jamie torkelte hinter ihm her. „Peter, warte!“ Rasch holte er ihn ein. „Weißt du, wo du hin gehst?“
    „Ja. Du etwa nicht?“
    „Red kein Unsinn! Natürlich weiß ich es!“
    Mit jedem Schritt sanken Jamies Füße tiefer in den Boden ein. Er fühlte sich nicht länger unbehaglich, sondern elend. Brombeergestrüpp zerrte an seinen Beinen, und einmal stolperte er über einen Stein und landete kopfüber im Schlamm. „Wir hätten diesen Weg nicht nehm’soll’n“,sagte er, als Peter ihm wieder aufhalf.
    „Wir können ja umkehr’n.“
    Jamie dachte an all die Male, bei denen Peter ihn beim Spielen heftig geschlagen hatte, als sie noch Kinder gewesen waren. Mit achtzehn war Jamie immer noch der Denker, während der zwanzigjährige Peter der Macher war. Aber heute Nacht hatte keiner von ihnen eine schlaue Idee, und nichts, was sie taten, ergab den geringsten Sinn. Er stapfte weiter, hob seine Füße höher und setze sie vorsichtiger auf. Der Regen schien immer heftiger zu werden. Er dachte an den Bach.
    „Ich hab’ ’nen Stein im Schuh.“ Peter humpelte zu einem Felsbrocken, der groß genug war, um darauf zu sitzen, und begann seine Stiefel aufzuschnüren. Jamie klopfte sich mit den Händen auf die Oberarme, damit ihm wärmer wurde. Noch nie hatte er so sehr gefroren, nicht einmal mitten im Winter. Peter fluchte. Seine Finger waren taub und nicht annähernd so geschickt wie gewöhnlich. Außerdem waren die Schnürsenkel feucht und fest verknotet.
    „Ich geh’ weiter“, sagte Jamie, als ihm klar wurde, dass Peter noch eine ganze Weile brauchen würde. „Ich gehe nur ein kleines Stück vor.“ Er wollte sich den Bach anschauen und dann überlegen, ob sie heute Nacht noch rüber kämen. „Ich warte weiter unten auf dich, Peter. Ich bleib in Rufweite.“
    „Hau schon ab. Du nervst sowieso.“
    Jamie setzte sich in Bewegung, in die Richtung, die er für die richtige hielt. Er bewegte sich langsam und vorsichtig, da er nicht vorhatte, sich allzu weit von seinem Bruder zu entfernen. Doch als der Boden steil abfiel, wurde er schneller. Er erreichte eine kleine Baumgruppe, und zum ersten Mal wusste er wieder, wo er war. Wenn er sich nicht irrte, würde es noch ein Stückchen bergab gehen und dann wieder flacher werden. Der Bach lag direkt vor ihm.
    Als er die Ebene erreicht hatte, spürte er Stolz in sich.
    Er versuchte zu entscheiden, ob er hier auf Peter warten oder sich besser allein vorankämpfen sollte. Peter würde nicht auf ihn warten. Da war er sich sicher. Wenn Peter ihn in der Dunkelheit verlieren würde, würde er ohne ihn weitergehen.
    Er machte ein paar tastende Schritte vorwärts. Er war hin und her gerissen zwischen der Sehnsucht, endlich zu Hause im Bett zu liegen, und den Schuldgefühlen, seinen Bruder allein zu lassen. Er hatte Peter gesagt, dass er warten würde, und normalerweise stand er zu seinem Wort.
    Er machte noch ein paar Schritte, doch dann blieb er wie angewurzelt stehen und starrte auf die Lichter, die direkt vor ihm zu verschmelzen schienen.
    Zuerst wollte er nicht glauben, was er sah. Er konnte sich nicht erinnern, wie viel er heute Abend getrunken hatte. Es fiel ihm nicht einmal mehr ein, wo er getrunken hatte. Warum also sollte er seinen Augen trauen, wenn diese ihm sagten, dass das unheimliche grüne Licht im Regenschleier zwischen den Bäumen vor ihm die Gestalt einer Frau annahm?
    Er legte eine Hand auf die Augen und spähte durch die Finger. Das Licht – in Gestalt einer Frau – war immer noch da.
    „Wer ist da?“, rief er.
    Das Licht schien auf ihn zuzukommen. Hastig machte er zwei Schritte zurück und stürzte. Er spürte die feuchte Erde unter sich und den Regen im Gesicht. Er war immer noch wach, und vor ihm schwebte ein Geist.
    Er bedeckte das Gesicht mit den Händen, aber diesmal sah er nicht

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