Dune 01: Der Wüstenplanet
dem Herzog einen finsteren Blick zu.
»Sie sollten nicht den Fehler begehen, meinen Sohn für ein Kind zu halten«, sagte der Herzog und lächelte.
Jessica, die einen raschen Blick über die Tafel warf, sah, daß Bewts Miene sich aufhellte. Kynes und Tuek, der Schmuggler, grinsten sogar.
»Es ist ein Gesetz der Ökologie«, warf Kynes ein, »und der junge Herr scheint es sehr gut zu verstehen. Der Kampf zwischen den Lebenselementen ist der Kampf um die freie Energie eines Systems. Und Blut ist eine effiziente energetische Kraft.«
Der Bankmann legte seine Gabel nieder und erwiderte mit einem gereizten Unterton: »Nicht das Blut, Sir. Das Wasser eines Menschen gehört letztlich seinem Volk – seinem Stamm. Und wenn man am Rande der Großen Wüste leben will, ist das eine Notwendigkeit. Das Wasser ist kostbar dort, und der Körper eines Menschen ist nun einmal zu siebzig Prozent aus Wasser zusammengesetzt. Das ist eine Flüssigkeitsmenge, mit der ein toter Mensch nichts mehr anfangen kann.«
Der Bankmann umklammerte die Tischplatte mit einer solchen Intensität, daß Jessica sich fragte, ob er nun in Rage aufstehen und den Speisesaal verlassen würde.
Kynes musterte sie und sagte: »Verzeihen Sie mir, Mylady, bei Tisch über solch häßliche Dinge zu sprechen, aber ich wollte verhindern, daß man Sie falsch informierte. Nur deswegen erfolgte meine Klarstellung.«
»Sie stecken bereits so lange mit den Fremen zusammen, daß Ihnen alle Sinne für Sensibilität verlorengegangen sind«, knurrte der Vertreter der Gildenbank.
Kynes sah ihn kühl an, musterte sein blasses, zuckendes Gesicht. »Versuchen Sie mich zu provozieren, Sir?«
Der Bankmann zuckte zurück. Er schluckte und sagte dann ziemlich steif: »Natürlich nicht. Und ich hatte auch nicht die Absicht, unsere Gastgeber zu beleidigen.«
Jessica hörte die Angst in der Stimme des Mannes und sah sie in seinem Gesicht – in der Art, wie er atmete, und in den Bewegungen, die seine Halsschlagader machte. Er schien eine schreckliche Angst vor Kynes zu haben!
»Unsere Gastgeber sind sehr wohl allein in der Lage, zu entscheiden, wann sie sich beleidigt fühlen wollen und wann nicht«, führte Kynes aus. »Sie sind tapfere Leute, die wissen, wie man die eigene Ehre verteidigt. Wir alle hier sollten sie zu der Courage beglückwünschen, die sie aufbringen ... hier auf Arrakis.«
Jessica merkte, daß Kynes' Worte Leto gefielen. Die meisten der anderen schienen diese Ansicht jedoch nicht zu teilen, sie saßen um den Tisch herum, als bereiteten sie sich insgeheim auf eine rasche Flucht vor, und hielten die Hände versteckt. Die beiden einzigen Ausnahmen waren Bewt, der offen über das, was der Bankmann einstecken mußte, grinste, und der Schmuggler Tuek, der den Eindruck machte, als beobachte er Kynes genau. Als sie Pauls Blick suchte, stellte sie fest, daß der Junge Kynes ziemlich bewundernd ansah.
»Nun?« meinte Kynes.
»Ich wollte nicht unhöflich sein«, murmelte der Bankmann. »Sollte dennoch der Eindruck entstanden sein, bitte ich um Entschuldigung.«
»Freundlichst akzeptiert«, erwiderte Kynes und lächelte Jessica zu. Dann beschäftigte er sich weiter mit seinem Mahl, als sei nicht das geringste geschehen.
Jessica sah, daß auch der Schmuggler sich entspannte. Ihr wurde klar, daß der Mann die ganze Zeit auf dem Sprung gewesen war, Kynes zu Hilfe zu eilen. Es mußte also irgendeine Art Vereinbarung zwischen den beiden geben.
Leto, der mit seiner Gabel spielte, schaute forschend auf den Planetologen. Die Art, in der er sich soeben gezeigt hatte, deutete einen Positionswechsel in bezug auf das Haus Atreides an. Während ihres Ausflugs über die Wüste war der Mann ihm kälter erschienen.
Jessica gab das Signal zum nächsten Gang. Bedienstete erschienen und servierten langues de lapins de garenne und Rotwein mit Pilzsauce.
Langsam wurde die Konversation an der Tafel wiederaufgenommen, wenngleich für Jessica die dumpfe Stimmung unübersehbar blieb. Der Bankvertreter aß in brütender Schweigsamkeit. Kynes hätte ihn ohne Zögern umgebracht, dachte sie. Aber dann wurde ihr klar, daß die ganze Erscheinung dieses Mannes so etwas nicht zuließ. Wenn er jemand tötete, dann nicht mit Vorbedacht, und dies schien auch auf die Fremen zuzutreffen.
Sie wandte sich dem Destillanzugfabrikanten zu ihrer Linken zu und sagte: »Ich finde es immer wieder unglaublich, wie wichtig das Wasser auf Arrakis ist.«
»Sehr wichtig«, stimmte der Mann ihr zu. »Aber was
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